Daß Synth-Pop - Veröffentlichungen derzeit rar wären, könnte man wahrlich nicht behaupten. Mit der Menge größer wird zwingend auch die Notwendigkeit für Newcomer, sich vom Rest der Masse abzuheben, den Hörer auf sich aufmerksam zu machen, um nicht gleich wieder in der Belanglosigkeit zu versinken, noch bevor die eigene Karriere richtig begonnen hat. Die Marketing- und Promo - Mechanismen der Musik-Industrie können da helfen - gegeben, daß man zu den Künstlern gehört, die sich auf diese Mechanismen verlassen können. Für alle anderen wird es dadurch eher noch schwerer... EMPLOSIA aus Saratov haben momentan in unseren Breiten definitiv das Problem, zu letzterer Kategorie zu gehören: Bislang war der Sampler "Russian Existence - A Tribute To Project Pitchfork" die einzige Chance, musikalisch mit den beiden Damen in Berührung zu kommen, und auch dieses Album ist bis dato bestenfalls ein Geheimtipp für Interessierte und/oder P.P. - Fans geblieben. Für das Debüt des Duos, schlicht "Emplosia" betitelt, gibt es nocht nicht einmal einen deutschen Vertrieb... Das ist sehr schade, denn musikalisch gehören die 15 Tracks des Albums sicher mit einigem Abstand zum Besten, was diese Stilrichtung in den letzten Monaten (Jahren?) zustandegebracht hat. Gründe dafür gibt es mehrere - wo anfangen? Zunächst ist es nicht ungewöhnlich, daß sich Musiker in diesem Genre auf frühe Depeche Mode und deren Kollegen berufen. Im Falle von Emplosia allerdings paßt dieser Vergleich sogar, lassen die Songs an vielen Stellen in der Tat Erinnerungen an (vorrangig die B-Seite von) "Speak And Spell", an frühe Alphaville-Sachen oder auch Erasure wach werden. Auch gelegentliche Kraftwerk-Einflüsse vermag man zu orten, trotzdem verkneift man es sich dankenswerterweise, musikalisch ausschließlich in der Vergangenheit zu leben: Das Gros der Songs ist, trotz des Charmes von Analog-Synthies und "alter" Musik, hinsichtlich des Sounds und der Arrangements absolut auf der Höhe der Zeit, die Musik insgesamt geschickt und ausnehmend wirkungsvoll inszeniert; es bleibt der Eindruck, daß man Songs wie "Daimonion" (auch auf besagtem P.P. - Tribute-Sampler zu finden), "Terra X", "Fire" oder "Never" trotz ihrer Eingängigkeit durchaus auch nach dem dritten, vierten, zehnten Durchlauf noch interessant und hörenswert findet. Apropos "Never", und das ist vielleicht das dominanteste Argument dafür, sich mit dieser Platte näher auseinanderzusetzen: Die Verbindung von Darjas flächigen Synthies und den russischen Lyrics, der ruhige Gesang, die warme Stimme von Frontfrau Julia, die durchweg äußerst eingängigen und ebenso fast durchweg melancholisch wirkenden Melodien erzeugen eine ureigene, höchst originelle und sehr intensive musikalische Mischung, der es gelingt, den Hörer fernab aller akustischen Klischees der gegenwärtigen Szene zu bezaubern, in ihren Bann zu ziehen und nachhaltig zu begeistern. Alles in allem ist "Emplosia" das erfrischende, eigenständige, in jeder Hinsicht überzeugende Debüt einer interessanten jungen Band, die es in ihrer russischen Heimat durch fleißiges Touren und verschiedene Sampler-Beiträge schon zu einiger Bekanntheit geschafft hat. Wem bei Synth-Pop Ohren und Herz aufgehen, für den führt der Weg an die Scheibe derzeit leider nur über die Emplosia - Web-Site; nichtsdestotrotz: Es lohnt sich. Interessierte finden zudem auf dem brasilianischen "Overclock"-Sampler (kostenfrei und legal als MP3 unter www.archive.org/details/OverclockCompilation) mit "Melancholy" einen vollen Emplosia-Song, der auf dem Debüt in bearbeiteter Form als "Sadness" zu neuem Leben gelangt. Anmerkung: Die übersetzte Tracklist stammt von der Emplosia-Seite auf myspace; das Gros der Songs ist im Original in Russisch geschrieben, gesungen und betitelt.