Seit dem Jahr 2017 bringen Leander und Patrick alias „Elektrokraft“ Musik heraus. Mit „Es geht weiter“ findet sich nun eine neue EP in ihrem Portfolio. Die beiden haben sich dem EBM verschrieben. Also fällt das in meine Zuständigkeit. Auf geht`s.

„Der Große Diktator“ legt gleich ein gutes Tempo vor und steigt klassisch mit einem Sprachsample ein. „Ich kam, siegte und sah“. Der Titel treibt mich schön in die EP. Textlich befassen wir uns mit den persönlichen Defiziten einer diktatorischen Persönlichkeit. Der Titel ist roh, auf das Notwendigste reduziert und überzeugt in seiner strukturierten Einfachheit. „Keine Weihnacht“ ist ein Beitrag, der ganz offensichtlich gegen Ende des Jahres 2020 entstanden ist. Somit ist er zeitlich eindeutig verortet. Allgemein befasst er sich mit den coronabedingten Pandemiebeschränkungen im direkten Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest. Ich persönlich kann durchaus damit leben meinen Glühwein mal zu Hause zu genießen und ein Kirchgänger bin ich eh nicht. Die zweite Strophe thematisiert die gesellschaftlich eher interessanten Problematiken, wie Kurzarbeit oder die wirtschaftlichen Folgen für den Einzelnen. Musikalisch ist der Titel wieder in bester Oldschool-Manier treibend arrangiert mit einem feinen Weihnachtssound-Sample. Witzige Idee. Bei „Los“ bewegen wir uns zum treibenden EBM-Sound im Rahmen globaler Gesellschaftskritik. Denunziantentum und Konsumgesellschaft werden auf`s Korn genommen. Ebenso die zunehmende Gefühlsarmut in der Gesellschaft. Ob hierzu dann der „Stein in der Hand“ wirklich das richtige Gegenmittel ist, darf bezweifelt werden. Der „Nebeltod“ bezeichnet die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und der Reflektion, dass man sich so einiges versaut hat. Diese Selbsterkenntnis wirkt sehr sympathisch, bringt mich dem Sänger näher als jeder andere Text. Auch die erfrischende Formulierung „Alles ist im Eimer“ tut dem keinen Abbruch, denn warum immer künstlich drumherum reden? "Niemandsland" wird darauf wieder drängender und aufgewühlter. Textlich drückt sich hier die Hoffnungslosigkeit und Unfähigkeit an der eigenen Situation etwas zu ändern aus.

Und schon ist es wieder einmal vorbei. Zunächst gehe ich mal auf die Musik ein. Diese ist tatsächlich in herrlicher Oldschool-EBM-Manier angelegt und lässt diesbezüglich keine Wünsche offen. Es gibt hier weder einen Abrutsch nach unten, noch große Flüge nach oben zu vermelden. Die Instrumentierung ist klassisch und gefällt mir sehr gut. Auch die Produktion ist mit viel Hingabe erfolgt. Elektrokraft verstehen was sie machen und liefern in vollem Umfang, was sie versprechen. In Erinnerung wird mir definitv der Weihnachtssample bleiben, das ist ein feines Goodie. Gesanglich erinnert mich das Ganze an Rummelsnuff. Das ist so dieselbe Art der Darbietung. Da klingt vieles schroff, gewöhnungsbedürftig, kommt aber eben direkt aus der Seele. Punktuell passt es ab und an nicht, aber darüber kann und darf man hinwegsehen.

Bei den aufgeworfenen Thematiken und der Auseinandersetzung der Band mit denselben werden sich die Geister scheiden. Ob es um Corona geht, oder aber auch um Gesellschaftskritik. Bei diesen Sachen kann man sich derzeit nur die Finger verbrennen. Aber ich bin kein Freund von Kleinklauberei. Ein jeder kann nur die Informationen und Lebenssituationen in Betracht ziehen, die für ihn Relevanz entwickeln. Das gilt natürlich auch für Künstler. Ich rate also an, wenn man „Es ist soweit“ hört, einfach zu versuchen sich in den Künstler und seine vielleicht erlebten Erfahrungen hineinzuversetzen. Wenn uns allen das gelingen würde, hätten wir ein großes Problem, dass gerade in „Los“ thematisiert wird bereits gelöst. Wir müssen einander einfach mehr zuhören und nicht behaupten, dass unsere Ansicht die einzig richtige wäre.

Ich kann die EP jedem empfehlen, der die Sachen von Rummelsnuff mag, eine Brise Oldschool-Luft schnuppern möchte und dabei grundehrliche Texte akzeptieren kann, die einfach ungefiltert aus der Seele in das Mikro gelangt sind.

Erwerben kann man die EP als digitalen Download  über die Bandcamp-Seite von Elektrokraft.

Anspieltipp: Der Große Diktator