Never change a running system! Nachdem das letzte Album "Life Below Zero" des Electro-Projekts Eisfabrik in die Top 20 der Verkaufscharts eingeschlagen ist, wäre es natürlich geradezu fahrlässig, nicht diesen erfolgreichen Pfad weiter zu beschreiten. Im Deutschen gibt es für das zwanghafte Optimieren von perfekten Sachverhalten ein schönes Wort: verschlimmbessern. Genau das machen Eisfabrik auf "Götter in Weiß" nicht.

Was aber nicht bedeutet, dass es mit der mittlerweile siebten Langrille der frostigen Vereinigung nicht einige Veränderungen gibt. Zwar steht das kompositiorische Grundgerüst fest verankert zwischen EBM und Furure Pop, doch in der klanglichen Ornamentik versucht Gerrit Thomas immer wieder eine Schhippe draufzulegen, was man in Stücken wie "All My Life" oder "Never Before", das in seinen stärksten Momenten eine Grandezza versprüht wie die Songs von VNV Nation, was sicherlich nicht das schlechteste ist.

Gerrit Thomas, den man von der kultig verehrten Electro-Truppe Funker Vogt kennt, bleibt seiner musikalischen Handschrift treu. Das ist in "When I Fall" besonders deutlich herauszuhören. Sein Sinn für elegische, mollschwangere Akkordfolgen ist in jedem der elf Songs wahnehmbar. Doch im Gegensatz zum Einsatz bei den Funkern, achtet er bei Eisfabrik auf eine dem Bandkonzept entsprechende unterkühlte Atmosphäre in den Stücken.

Schließlich dreht es sich bei der Eisfabrik stets um das Thema Kälte, Schnee und Eis, allerdings nicht im konkreten Sinne. Das Themenfeld dient lediglich als Metapher für Einsamkeit und Isolation. Stücke wie "Sad Lonesome Day" oder "Dark Life" verhandeln dies bereits in ihren Titeln. Einzig das namengebende "Götter in Weiß" blickt tatsächlich auf das Wirken von Ärztinnen und Ärzten, allerdings in ihrer ganzen Ambivalenz, gleichsam Leben zu retten, aber auch durch Fehler zu vernichten. Es ist auf jeden Fall ein ungewöhnliches Thema, dass die Eisfabrik aber souverän und ohne ungewollt lustige Momente realisiert.

Schließlich geht mit "Gott des Feuers", das wie das Pendant zum Titelsong wirkt, die Eisfabrik noch einmal hart mit unserer Gesellschaft ins Gericht. Zumindest kann man das apokalyptische Szenario als kritischen Kommentar des Quartetts auf die menschliche Spezies verstehen, die im Begriff ist, sich selbst auszulöschen. Der "Gott des Feuers"- das sind wir alle. Aber wir sind unfähig, damit umzugehen und stecken die Welt in Brand.

Verstärkt wird der weltschmerzliche Eindruck durch die markante, unikate Stimme von Charly Barth-Ricklefs (ehemals Shadow-Minds), der gleichzeitig hell und doch heiser die Lyrics vorträgt und dabei eine ähnlich eisige Stimmung heraufbeschwört, wie es bereits die sechs vorherigen Alben taten.

Bleibt wieder einmal die Erkenntnis: Ein Eisfabrikalbum ist ein Eisfabrikalbum ist ein Eisfabrikalbum. Kritiker könnten spötten: "Kennt man eine, kennt man alle". Doch auch wenn die Songs nach ähnlichem Schema aufgebaut sind und man bereits nach den ersten beiden Nummern ziemlich genau weiß, wie der (Schnee)hase läuft, schmälert das nicht den Respekt gegenüber der kompositorischen Qualität, die sich gleichbleibend auf einem hohen Level befindet.