Martial Industrial und Neoklassik – das sind ja so Genres, bei denen sich leider viel zu oft die Befürchtungen bestätigen, man würde Personen zu unterstützen, die man aufgrund ihrer politischen Motivation nur ungerne feiern möchte. Triarii und Nordvargr/MZ 412 sind zwei größere Szenebeispiele die gleichzeitig für diesen Grenzgang zwischen Provokation und Ideoogie stehen. Ersteren glaube ich die Berufung auf die Provokationspflicht der Kunst, bei zweiterem bin ich mir sicher, dass wir uns bei einem Bier nicht wirklich einig werden würden. Warum ich so aushole? Mir liegt das Debütalbum der drei Dänen von Eisenwolf vor und ich finde nicht wirklich Informationen, die mir helfen könnten, mir eine Meinung zu bilden. Ich berufe mich also auf die Unschuldsvermutung und hoffe, dass ich nicht im Nachhinein auf Bedenkliches stoße.

Das Album empfinde ich ganz ehrlich als beachtliches Debüt. Der in meinen Ohren größte Pluspunkt ist, dass Eisenwolf nicht auf Teufel komm raus vor den Kopf stoßen will, sondern das musikalische Ouevre ungemein gut verdaulich programmiert wurde. Nun ist in den Bereichen Martial Industrial, Neo Klassik und Neo Folk häufig eher das Gegenteil von Bands und Fans gewollt, man will vor den Kopf stoßen, bloß nicht gefallen und ich kann mir sogar vorstellen, dass manch einer 'Ritual' als easy listening oder harmlos abtun wird. Ich empfinde es aber als erfrischend, ein solches Album aus dem Genre bereits beim ersten Durchlauf in weiten Teilen verarbeiten zu können. Denn trotzdem ist 'Ritual' auch bei folgenden Hördurchläufen spannend und zeitgleich unterhaltsam. Ganz grob lässt sich feststellen, dass sich Neo Klassik Stücke und ambientlastige Industrialstücke abwechseln um schließlich gegen Albumende miteinander zu verschmelzen. Der Opener und Titeltrack ist mehr als gelungen. Man nehme die Grundstruktur von Triarii, aber weitaus weniger Pathos. Dazu etwas elektronischere Drums, eher finster verzerrter Gesang, eine apokalytisch-kalte Grundstimmung und einige Keyboardlinien, die ein wenig neben der Spur wirken und mich im Positiven an die Keyboardarbeit von Eisregen erinnert. "Krigskøter" schlägt in eine ganz ähnliche Kerbe "Kadavermensch" oder "Blodmåne" sind etwas sanfter, sehnsüchtiger durch Streicher- oder Gitarrensounds. Zwischen diesen Tracks finden sich finstere Instrumentals, die zwischen Ambient und Industrial schwanken und durchweg stimmig sind, eine greifbare, Zugänglichkeit vermitteln und dadurch nicht nur als Gegenakzent, sondern als gelungene Titel für sich stehen können. "Blodmåne" ist quasi der Abschluss des ersten Teils des Albums, die folgenden 31 Minuten sind eine Verschmelzung des bisher gebotenen. Die Vocals erklingen seltener, es beibt aber mehrheitlich rythmisch, vorantreibend. Hier fühle ich mich in vielen Momenten an MZ 412 erinnert, an diese kalte, treibende Klangwelt und auch Eisenwolf gelingt es, mich zu fesseln.

Eine wirklich starke Angelegenheit, ein tolles Debüt. Auch wenn ich den Projektnamen und die das Artwork für etwas zu plakativ und plump empfinde und im Geschäft daran vorbeigehen würde, kann die Musik, die sicher dahinter versteckt, sicherlich für einige intensive Momente sorgen. Reinhören lohnt sich.

 

Eisenwolf

Ritual


 

13.06.2020

Tinnitorturous

 

https://eisenwolf.bandcamp.com/album/ritual

 

01. Ritual

02. Frygt

03. Kadavermarch

04. Slavens død

05. Krigskøter

06. Sort messe

07. Blodmåne

08. Besat

09. Ulv

10. Ørkenstorm

11. Hinsides mørket