Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass Menschen, die sich tagtäglich mit Musik umgeben, irgendwann mal selber zu den Instrumenten greifen, respektive zu den Maschinen. Wie Dimitri Berzerk, der als Labelchef von Sector Industrial und gefragter Remixer besonders im Bereich der elektronischen Klangerzeugung ein weitreichendes Netzwerk aufgebaut hat. Dieses nutzte er über die Jahre für spontane Kollaborationen, die sich nun auf seinem ersten Album "Nineteen Eighty-Four" gebündelt wiederfinden.

Die Songs sind zwischen 2013 und 2023 entstanden - was man dem Album durchaus anmerkt. Die Stücke wirken wie Markierungspunkte der musikalischen Reise, die der Mexikaner seitdem unternommen hat. Eine Vielzahl von Stilen, mit der Dimitri konfrontiert wurde und wird, manifestieren sich in den Songs deutlich wieder. Beginnt "Nineteen Eighty-Four" zunächst noch sehr anschmiegsam melodisch und zitiert in "The Liquid Path" Weiber-Electro-Strukturen, werden bei "My Love Is Electric" knarziger Synth-Pop mit 80er-Kante kredenzt, und "The Great Wind Orchestra" ruft den energetischen Dance-Sound eines Gigi D'Agostino in Erinnerung.

Mit "Ctrl+Alt+Del" schwenkt der Musiker in einen astreinen EBM alter Provenienz um. Mit dem abschließenden "El Resplandor Esmeralda" legt er den Vierviertelbeat zu den Akten und belegt damit, dass er nicht nur Tanznummern beherrscht, sondern auch die Kunst, Spannungen in ruhigen Songs zu erzeugen. Mit Fug und Recht darf behauptet werden, dass der Mann wirklich weiß, wie Songs funktionieren.

Doch bedeutet Aneinanderreihung zehn für sich passable bis gute Songs noch lange nicht, dass das Album an sich höhere Weihen verdient. Dimitri Berzerk präsentiert hier eher so etwas wie sein persönliches Best-Of. Die Platte wirkt wie ein Sampler, also eine Zusammenstellung unterschiedlicher Künstler. Denn zu jedem Song gönnt sich der Klangtüftler einen anderen Sänger beziehungsweise Sängerin, darunter auch Claus Larsen von Leæther Strip. Das schmälert nicht unbedingt den Hörgenuss, lässt aber so etwas wie eine musikalische Stringenz vermissen.

Auch die teilweise fließenden Übergänge zwischen den einzelnen Songs offenbaren Dimitris weitere große Leidenschaft: Djing. Auf "Nineteen Eighty-Four" erlaubt er es sich  - wo es sich anbietet - die Songs ohne Pause ineinandergleiten zu lassen. Das hat durchaus seinen Reiz, macht aber nur dann Sinn, wenn er dieses Stilmittel voll durchgezogen hätte. Was er aber leider nicht tat.

So mangelt es bei dem Debüt sicherlich nicht an schlechten Ideen, und gerade Songs wie "The Liquid Path" oder "My Love Is Electric" und "Ctrl+Alt+Del" bringen das Potenzial mit, in der Dunkeldisco den einen oder anderen Tanzlahmen zum Zappeln zu animieren.  Als Album wirkt "Nineteen Eighty-Four" jedoch zu durcheinandergewirbelt, um einen erkennbaren roten Faden wahrnehmen zu können. Das Eingrenzen der Sangespartner und Genres hätte die ganze Geschichte wesentlich griffiger gemacht. Aber das ist, ehrlich gesagt, auch ein bisschen Jammern auf hohem Niveau.