Um die deutsche Industrial-Metalband [die!] war es die letzten Jahre in der Tat „still“ geworden, nachdem der langjährige Sänger Oliver Jung sein Mikrofon an den berühmten Nagel gehängt hatte. Die Band fackelte nicht lange und angelte sich den (inzwischen ex-) Megaherz Sänger Matze ,Jablonski‘ Elsholz, den sie auf einer gemeinsamen Tour beider Bands kennengelernt hatte. Nach diversen Schwierigkeiten mit dem alten Label veröffentlichte die Band ihr neues Opus nach 3 Jahren Stille im Oktober 2009 mit dem bezeichnenden Titel „Still“. Um es vorwegzunehmen: das Warten hat sich mehr als gelohnt. Gleich der Opener „Schöner Schein“ gibt eindrucksvoll die Richtung des Albums vor: harter (Industrial) Metal, gepaart mit tiefen Growls und Klargesang, eingebunden in einen harten Stampfrhythmus, Elektro-Keyboardsounds und gesellschaftskritischem Text. So muß das sein! Der zweiten Track „Daumenlutscher“ (nach einem Gedicht von Heinrich Hoffmann) ist eine wahre Speedgranate vor dem Herrn, die Band drückt durch die Boxen wie eine Panzer mit dem Ziel, alles platt zu machen, was sich in den Weg stellt. Der böse Text („klapp, klapp, Daumen ab“ und „Als die Mutter komt nach Hause, sieht der Konrad traurig aus, ohne Daumen steht er dort, die sind alle beide fort“) trägt sein übriges dazu bei, damit der Song hervorragend funktioniert. Das darauffolgende „Lüg mich an“ ist schlichtweg sensationell. Es verbindet die gebotene Industrialhärte mit einigen kleinen Gothicelementen, die Melodie fräßt sich sofort ins Gehirn und die hypnotisierenden Gitarrenriffs, begleitet von einer absolut sensationell vor sich hin walzenden Rhythmussektion, ziehen einen unweigerlich in den Bann. Ein todsicherer Hit! Spätestens nach diesen drei Hammersongs drängt sich unweigerlich der Vergleich zu Rammstein auf (auch wenn es die Band wohl nicht gerne hört): der ganze Sound und Aufmachung von [die!] ist doch sehr an Deutschland‘s Volkshelden angelehnt. Doch auch im Laufe der Scheibe bewahrt die Band soviel Eigenständigkeit, daß zwar hinund wieder der Vergleich herangezogen werden kann, sie aber nie zu einer Rammstein- Kopie verkommt. Der Rest des Albums setzt den Weg des genialen „Triumvirats“ fort: egal ob etwas elektronischer („Herzlos“), episch angehaucht („Teufelswerk“), Metal meets Operette (man höre den Refrain vom Titeltrack „Still“), eingebauter Sprechgesang („Alles in einem Top“), die Band baut auf ihrem Metal-Grundgerüst viele interessante Soundvariationen auf, die jeden einzelnen Song zu einem kleinen Kunstwerk macht. Zu erwähnen gilt noch die geniale Drafi Deutscher Coverversion „Marmor, Stein, und Eisen bricht“, die von der Band den Titel „Dam, Dam!“ verpaßt bekommen hat; der Song, verpackt in ein orientalisches Klangkostüm, kommt zähfließend wie Lava aus den Boxen gekrochen und versprüht eine böse Grundstimmung, bis der Refrain den Song mit einem weinerlichen Frauengesang und Orchestersounds bricht, bevor er wieder seine morbide Fahrt aufnimmt. Fazit: mit ihrem neuesten Werk „Still“ sind [die!] in die absolute Speerspitze deutscher Metalbands aufgestiegen und brauchen KEINE Vergleiche zur deutschen Konkurrenz zu scheuen. Dafür sorgen die sorgsam komponierten und arrangierten Lieder, die ein um‘s andere Mal hypnotische Wirkung versprühen, eine mehr als druckvolle Produktion, handwerklich äußerst fitte Musiker und ein charismatischer Sänger, der alle Facetten seiner Stimme wirkungsvoll und effektiv einzusetzen weiß. Es müßte schon mit dem Teufel zugehen, wenn der Band mit diesem Output der kommerzielle Erfolg auf breiter Front verweigert werden und es um sie wieder „still“ werden würde. Beste deutsche Metal-Veröffentlichung der letzten Jahre!