“... welcome to the chamber, welcome to our home...“ . Mit dieser Textzeile aus dem einleitenden „The Orphanage“, welches schon länger als digitale „Season 0“-Vorab-Single und Video zu hören/zu sehen war, stellt sich das neue Projekt „Die Kammer“ nun mit der ersten auf Tonträger erhältlichen Veröffentlichung vor: „Season 1: The Seeming And The Real“. Aufmerksamen Lesern dürfte dabei ein Hinweis nicht entgangen sein, wer hinter Die Kammer steckt, nämlich niemand geringerer als Marcus Testory, bisher aktiv mit L'Orchestre de la Chambre Noir bzw. Chamber. Sein Partner, Matthias „Matze“ Ambré, ist in der Szene ebefalls kein Unbekannter, betätigte er schließlich jahrelang für ASP die Gitarrensaiten. An dieser Stelle muß ich zugeben, daß der zweite Name bei mir zunächst einige Vorbehalte weckte, weil ASP ja eher für nachwuchstauglichen Goth-Pop stehen. Auf der anderen Seite bewiesen beide Protagonisten (zusammen mit Herrn Spreng und Chamber) schon 2006 bei der „Once In A Lifetime“-Tour sowie der zugehörigen CD „Humility“, daß man auch schöne Musik jenseits von Kitsch und Herzschmerz produzieren kann. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf legte ich die Scheibe also in den Player und erlebte eine Überraschung, denn mir schallte klarer, akustischer Gitarrenfolk mit Songwriter-Anleihen entgegen. Getragen von der angenehm sonoren Stimme Testory's verbergen sich auf dem Album 12 Perlen, wie sie individueller nicht sein könnten. Dafür sorgt nicht nur ein hin und wieder doch an Chamber erinnerndes Streicherensemble im Hintergrund, sondern mit der Tuba ein völlig ungewohntes Instrument. Letztere scheint auf den ersten Blick für den recht eigenwilligen Dreh der meisten Songs verantwortlich zu sein. Und das erstaunlichste daran ist, wie gefühlvoll dieses laute, volkstümliche Instrument in die Lieder integriert wurde. Lediglich bei „Labyrinths Of Despair“ hätte das Blech etwas zurückhaltender agieren können, um die feinen Geigenläufe nicht zu erdrücken, andernorts stellt es jedoch stets einen gelungenen Kontrast zu den übrigen Klängen dar, ohne aufdringlich zu wirken. Beim treibenden „Riding The Crest“ ertappt man sich gar bei der Idee, daß eine Tuba zwingend zu einer Rockband gehören müßte. Aber es wäre falsch, dieses Werk nur auf die gewagte Instrumentierung zu reduzieren. Die Texte und Kompositionen selbst sind es vielmehr, die trotz ihres Facettenreichtums ganz entspannt und unverfälscht daherkommen und dieses Album zu einem kleinen Kunstwerk werden lassen. „Nichts ist wie es scheint“ - das ist meine sehr freie Übersetzung des Titels „The Seeming And The Real“ und jene möchte ich allen hinter die Ohren schreiben, die die gleichen Bedenken wie ich zu Anfang gegen Die Kammer hegen. Hört's Euch einfach mal an und lasst Euch überzeugen!