Christian Fuchs und David Pfister haben eine Drogenvergangenheit. Musikalisch gesehen. Auch deftig heftig Okkultes und das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter inspirierte beide immer wieder zu Tracks in so divergenten Bands wie The Devil & The Universe, Bunny Lake, Heirstyle, Fetish 69, Black Manna oder Toxic Lounge. Jedes Lied ein Liebeslied. Love is the law. Ihre noch größere Liebe zu Wien machte beide zu Mitgliedern der Neigungsgruppe Sex, Gewalt & gute Laune und damit zu den enigmatischsten Geburtshelfern des Neo-Austropop. Die Neigungsgruppe wurde, weit über's Alpenland hinaus, für ihre charmant morbide Sanierung popkultureller Höhepunkte gefeiert, da unterm Strich deren Cover-Versionen jene dreiste Peinlichkeit einer Hermes House Band oder eines Heino fehlte, weil bei ihnen kulturelle Inbesitznahme mehr Slackertum mit Schlagobers als nur Nouvelle Vague war. Trotzdem haben sie es nach drei Alben bleiben lassen und kehren nun als Die Buben im Pelz zurück. Der erotomane Neustart im Pelz, ihr Debüt-Album, wirkt im Vorfeld wie ein Band-Shirt in Übergröße, welches man sich wohl überstreifte, nachdem es Ur-Hipster Andy Warhol und Protopunk Lou Reed einem in die musikalische Wiege gelegt haben. So wie sämtlichen Generations-Identifikationsgenossenschaften, nachdem der Summer of Love infernalisch den Arsch aufgerissen bekam, auch. "The Velvet Underground & Nico" sind so etwas wie das Alte Testament des Punk, Noise, Doom, Grunge und Goth. Es war der Businessplan von Malcolm McLaren, die Wichsvorlage von David Bowie, die Geburtsurkunde von Sonic Youth, ein Poesiealbum für Christian Death, Apoptygma Berzerk und The Kills. Keine halbwegs ernstzunehmende Band der letzten vierzig Jahre verzichtete auf eine Interpretation aus diesem Vermächtnis. Das Abenteuer Full-Album-Cover wagte zuletzt Beck mit seinem Record Club und verlor sich dann in Belanglosigkeit. Nicht so die Buben. Der Magen voll von Manner-Schnitten und eine Melange aus Hallucination Company und Austrian Paranormal Investigators im Hinterkopf hat ihnen Verve verliehen. Sie verorten dieses irrlichternde Pendel, welches vom Noise und tiefergelegten Gitarren unvermittelt hin zu melodischen Pop-Perlen und wieder retour ausschlägt, begnadet vom East River an die Donau. Ganz so als hätten sie mit einer Ghostbox sämtliche Frequenzen der Entstehung des Originals und dessen claim to fame abgesucht und mit musikalischer Demut einen zeitgemäßen Feinschliff vorgenommen. Immer verdammt dicht am Original, aber keine Sekunde dialektische Kopie. Die gewienerten Lyrics weichen insofern vom Original ab, als dass sie dessen Parallelen in den Exzessen der einhunderttausend unwichtigsten Österreicher der Welt reflektieren. Die Buben sind so sehr Banane, dass selbst die Frage ob Würstchen ihren Ursprung in Frankfurt oder Wien haben vollends nebensächlich wird. Den sanften Tracks wurde der Hauch von Folk behutsam entzogen. Die Auskopplung "Tiaf wia a Spiagl" kniet noch tiefer in den Hormonen und bekommt lässig die letzte Abfahrt vor der Endstation Kitsch. Der gepflegt resignierte "Sonntag Morgn" wie auch der Rest des Albums klingt wie von Phil Spector produziert und doch war es wieder mal Bernd Heinrauch. Wien bietet ja längst keine Projektionsfläche mehr für romantische Geschichten und die Vocal-Parts von Nico liegen nun in der Macht der Buben. Die beteiligten Freundinnen, Moog-"Femme Fatale" Dorit Chrysler und Pop-Diva Monsterheart, schmücken sich und diesen Album-Bastard ebenso mit kompromisslosem Gebrauch des berühmt berüchtigten Meidlinger L (das authentische Wienerisch). Obwohl Phonetiker mal herausgefunden haben wollen, dass es ausschließlich und ausdrücklich von Raubeinen benutzt wird. Frauen legten indes mehr Wert auf Hochsprache als Zeichen von Bildung. Für die ist hier jedoch das Austropop-Urgestein Boris Bukowski zuständig. Sein gnadenloses Lehrstück in Sachen Hommage lässt Billy Idol verdammt blass aussehen und finalisiert Davids infernalische "Heroin"-Beichte vor dem Glaubens-Kongress der Zeugen Jehovas im Ernst-Happel-Stadion. Noch subversiver ist der waidwunde Schuh-Fetischist in seinem Punk Poem über La Familia-Schuhwerk auf dem "Schwedenplatz". Die "Venus im Pelz" gefällt sich in einem Mashup aus Siouxsie and the Banshees und den Smashing Pumpkins. Ein steirischer Produzent belässt es jedoch nicht beim Zermatschen, er geht dem Stück bis auf den Kern und presst aus ihm das magische Gold für Christians atmosphärische Hell's Kitchen. Der echte "Weana Bua" smells like seinem längst abgeschriebenem teen spirit und die Leierkästen-Männer am Dom entdecken ihre dunkle Seite. Der Tod ist ein Wiener und er trägt jetzt Pelz. In Englisch wäre dieses Album bestimmt ein Megaseller. In Weanarisch bleibt es ein todesmutiger Spaß und das längst überfällig zerstörerische Korrektiv zu Volks-Rock’n’Roll und Bilderbuch-Pop. Andy Warhol wäre begeistert. Helmut Qualtinger ebenso.