Der Klinke hatten mich im letzten Jahr absolut überzeugt. Gab es auch noch einige Anfangswehwehchen, so erwies sich das Debut der Belgier als wunderbarer Retrotrip durch dunkle Elektro-Landschaften der beginnenden 90er. Schön dumpf und bereits auf dem Debut mit einem recht hohen Wiedererkennungswert. Nun lausche ich der "Second sun" und damit dem in recht kurzer Zeit entstandenen Zweitwerk. Um das Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Das, was ich am Debut mochte, findet sich auch beim zweiten Album wieder. Nur in verfeinerter Form. Der Klinke klingen wie Der Klinke – und welche Band kann heutzutage schon von sich behaupten, einen wirklich eigenen Sound zu haben? Zu hören gibt es wieder eine feine Portion 90er Elektro (Calva y Nada und musikalisch Der Prager Handgriff oder Das Ich), der wunderbar ergänzt wird mit Elementen aus Dark Wave und Ambient. "Pictures in my mind" beginnt behäbig vorwärtstreibend und tanzbar – der Reinhörende kann hier schon fast entscheiden, ob er Der Klinke eine Chance geben will oder nicht. Ich bin mir sicher, dass die meisten mit "ja" stimmen werden. Der Song ist eingängig, groovend und sehr cool. Das "House of belief" erinnert nicht nur titel- sondern auch soundtechnisch an The fair sex, die Gitarren sägen angenehm im Hintergrund und der Gesang erinnert ein wenig an Christian Death zu alten Zeiten. Dann kommt etwas klassisch beeinflusster Dark Wave inklusive Sirenengesang im Hintergrund und Streicherbegleitung. "Sprech"gesanglich bleiben sich Der Klinge aber treu, weswegen das Ganze schon sehr eigenwillig aber gut klingt. "The Game" bietet spherisch-verträumten EBM und eine melancholische Melodie und "Universal Energy" könnte Dank Akustikgitarre und Sehnsuchtsmotiv auch super auf Alben gewisser (Neo)Folkbands passen (wobei die Synthiebegleitung dafür sorgt, dass solche Stilausflüge nicht Fehl am Platz wirken). Spätestens bei "Las Fabricas" sind dann die Brücken zu Calva y nada im positivsten Sinne geschlagen und ich als Hörer ganz seelig und zufrieden. Und so geht es auch auf dem Rest des Albums angenehm zur Sache und es liest sich also hoffentlich heraus: Der Klinke sind auf dem zweiten Album noch abwechslungsreicher und erfreulicherweise funktioniert das Album auf gesamter Länge erheblich besser als das bereits starke Debut. Zusätzlichlicher Bonus in meinen Ohren: Klang der Vorgänger dumpf wie nicht gut abgemischt, so klingen Der Klinke jetzt dumpf weil sie dumpf klingen wollen. Produktionstechnisch hat sich also auch was getan. Kaufen, kaufen, kaufen – Der Klinke sind keine Band, die durch "den großen Hit" in den Diskotheken auffallen werden. Dafür ist die Musik viel zu dezent und unaufdringlich. Doch erweist sich dies auf Albumlänge als besondere Stärke, denn dadurch können Stilexperimente besser zum Ganzen beitragen und der Band trotz großer Abwechslung ein ganz eigenes Gesicht geben. Tolle Melodien, schöner Retro-Sound, keine plumpe 08/15 Instrumentierung, keine plakativ-billigen Texte und viel Abwechslung – ich bin mir zwar sicher, dass es Der Klinke nicht leicht haben werden, die große Masse zu erreichen, aber die Zielgruppe der 90er-Elektro-Fans und alle Über-den-Tellerrand-Schauer müssen reinhören!