Kryptische visuelle Botschaften auf der offiziellen Depeche Mode Page ließen die Fans spekulieren mit einem Output der bis hin zur Rückkehr von Alan Wilder zur Band ging. Die kleinen Teaser mit alter Symbolik entpuppten sich schließlich als Ankündigung der vermeintlich vollständigen Video-Collection der Band. Depeche Mode Fans kann man es natürlich nie recht machen und so wurde als erstes über das Format diskutiert. DVD ist zwar nicht der Auflösung letzter Schluss, allerdings ist es vielleicht auch nicht die Anzahl der Piaxel auf die es ankommt, insbesondere bei der Corbijnschen Grobkörnigkeit, die den geneigten Fan von den späten 80ern an begleitete und begeisterte. Ja, zugegeben, es hätte auch eine Blu-ray-Version geben können, aber, so what… Viel interessanter ist doch was man für den hinzwischen fairen Presi von knapp dreissig Euro (die Vorbesteller wurden mit 45 Euro abgezockt). Und das ist eine ganze Menge: 55 Videos reihen sich aneinander und geben den bisher vollständigsten visuellen Überblick des Back Catalogues, wo bei den beiden früheren Zusammenstellungen immer nur eine Auswahl der Clips angeboten wurde. Sony sei Dank, denn erstmal sind die Rechte für eine solche Compilation vorhanden, hat man doch zu ziemlich alles auf die drei Silberlinge gepackt was so in den Archiven lag. Was auf den ersten Blick fehlt sind die Videos aus ‚Strange 1‘ und ‚Strange 2‘, die die Singles zur ‚Music for the Masses‘ bzw. ‚Violator‘ so hervorragend verbinden. Aus gut unterrichteten Kreisen hört man zumindest, dass auch die erstmalige digitale Veröffentlichung dieser beiden Kurzfilme fürs nächste Jahr ansteht, auch wenn es dem Preisleistungsverhältnis gut getan hätte, das Material bereits bei der ‚Videos‘-Compilation zu spendieren. Dafür sehen wir andere Schmankerl und bekommen zu einigen Clips die Kommentare der verbliebenen Band-Mitglieder zu hören. Lohnt es sich denn nun eigentlich sich einen ganzen Sonntag zu reservieren die drei Stunden Videos zu sichten und anschließend nochmal die Kommentare nach lustigen Anekdoten zu scannen. Well, well, für Fans sicherlich keine Frage, denn die Regisseure, allen voran Anton Corbijn, haben der Band mit den in den Achtzigern und Neunzigern so wichtigen Kurzfilmen identitätsverstärkende Beihilfe zur bereits fünfunddreißig jährigen erfolgreichen Bandgeschichte geliefert. Von verträumt-bizarren Geschichten wie in ‚Walking in My Shoes‘ oder dem legendären und sogar von Achim Menzel visuell gecoverten ‚Enjoy the Silence‘ bis hin zu lasziv-brachialen Geschichten wie in ‚Personal Jesus‘ oder ‚I Feel You‘ müsste für jeden etwas dabei sein. Zugegeben: die ersten Videos sind heute evtl. ein wenig herausfordernd, mit einem Schmunzeln angeschaut gehören aber auch diese zum Gesamtkunstwerk Depeche Mode. Happy, happy people in ‚Just can’t get enough und herausfordernde Frisuren in ‚See you‘ fangen die so unbeschwerten Achtziger genauso perfekt ein, wie die damals skandalösen Videos zu ‚Master and Servant‘ oder dem so gotteslästerlichen ‚Blasphemous Rumours‘. Die wohl beste Phase der filmischen Umsetzung rankt sich dann auch um den musikalischen Peak der Band von ‚Black Celebration‘ bis ‚Ultra‘. Das Vertrauen zu Corbijn, der das Gros der Videos filmte wird von den Bandmitgliedern in den Kommentaren als einzigartig beschrieben wo bei anderen Regisseuren die Scripts kritisch hinterfragt wurden. Selten prägt ein Regisseur so das Image einer Band und das merkt man auch, wenn man die Videos ab ‚Exciter‘ betrachtet, die wie auch der musikalische Output leider an sich etwas verflachte. Erneut ist es Corbijn, der mit ‚Suffer Well‘ eine Ausnahme zur Regel postuliert und Dave neben ‚Enjoy the Silence‘ und ‚It’s No Good‘ in einer schauspielerischen Rolle präsentiert. Am langweiligsten wird’s dann mit dem lieblos zusammengestückelten ‚Martyr‘. Von den extended/alternative versions sind die beiden alten Videos zu ‚People are People‘ und ‚Stripped‘ interessant, ‚ But not Tonight‘ und ‚Soothe my Soul‘ erscheinen eher unwichtig. Booklet und Package sind glossy schwarz auf schwarz mit Regenbogen-Streifen aufbereitet und das Booklet bietet keinerlei Informationen außer die Credits der enthaltenen Videos. Das hätte man besser machen können, insbesondere auch die Taschen, in denen die DVDs fast nicht herauszubekommen sind. ‚Condemned to love‘ steht auf dem Buch im Video zu ‚Condemnation‘, ‚Condemned to Depeche Mode‘ sind wir, die Kinder der Achtziger, die mit Depeche Mode im Playback von der IFA im ZDF und den genialen Touren mit Vorgruppen wie Front242 oder Nitzer Ebb groß geworden sind. Und genau für uns ist diese Compilation ein Must-Have bei dem man über die genannten Potenziale großzügig hinweg schaut.