Von meinen drei Wochen Südafrika im letzten Jahr sind so einige Erinnerungen übrig geblieben. Steaks ab 300g und auch lebendige Tiere die permanent die Strasse kreuzen wollen. Zwei Dinge sind jedoch nicht passiert: weder konnten sich südafrikanische Künstler bei mir etablieren noch verbinde ich Südafrika mit verträumter, zerbrechlicher Musik. Und schon wieder bestätigt sich, dass ein Urlaub keinesfalls lang genug ist ein Land in all seinen Facetten kenne zu lernen. Musikalisch kann ich dies gerade nachholen mit dem Album ‚Replace Why With Funny’, des in Johannesburg ansässigen Trios ‚Dear Reader’. Schon am Namen der Sängerin (Cherilyn MacNeil) lässt sich erkennen, dass es hier einen britischen Background gibt, vielleicht macht dieser zusammen mit der südafrikanischen Sonne, die leider nicht für alle gleich hell scheint, das vorliegende Ergebnis so spannend. Was zuallererst auffällt ist die glasklare Stimme von Cherilyn, die erstaunlich an Bobo (in white wooden houses) erinnert und genau wie diese ab dem ersten Ton zu verzaubern weiß. So ist es ein geschickter Schachzug, dass viele der Songs die Vocals mit leiser Begleitung zunächst in den Vordergrund stellen, bevor sich multi-Layer-Gebilde analoger Musikkunst aufrichten und stets von neuem, aufgrund der ideenreichen Produktion und Leichfüßigkeit schillernden Kompositionen, begeistern. Das Klavier spielt dabei genauso wie im ganzen Leben von Cherlyn MacNeil eine tragende Rolle. Mal klimpert es vor sich hin, oft sind es aber die gezielt eingesetzten tiefen Anschläge wie in ‚Dear Heart’, die einen gesunden Kontrast zum zuckersüßen aber keinesfalls Diabetes verursachenden Gesang bilden. Ergänzt von Bass, Keyboard, einem echten Chor hier und scheppernden Drums dort, mag man nach gut vierzig Minuten gleich wieder am Anfang der Platte anfangen. Vielleicht ist das aber auch die Platte, die Nina Persson schon immer unter ihrem Pseudonym ‚A Camp’ hätte machen sollen. Highlights wie das sich monumental entfaltende ‚Great White Bear’ suggerieren jedenfalls eine direkte Verbindung zum schwedischen Sound-Imperium und ‚Release me’ macht genauso Angst durch zu heftige Atmung das Kunstwerk zu zerstören wie seinerseits bei ‚The great Devide’ vom Kracher ‚First Band on the Moon’. Ganz großes Kino, was hier geboten wird. Echtes Handwerk, wie eine originale Stuck-Decke in einem Tanzsaal des letzten Jahrhunderts. Jede Kurve perfekt geformt und trotz durchgängiger Symmetrie immer wieder mit neuen Details überraschend. Eine Darbietung, die man in einer von Gewalt durchzogenen Stadt wie Johannesburg nicht für möglich gehalten hätte… Hier gibts das Album übrigens in voller Länge anzuhören. Selber schuld wer die Chance nicht nutzt...