Feindflug: Interview vom Juni 2002

Feindflug Interview vom Juni 2002

Zurück aus der digitalen Tonne: Das verschollene Feindflug-Interview ist wieder da! Ja, ihr habt richtig gehört! Nach einer Daten-Migration, die mehr Chaos anrichtete als ein Rockstar im Hotelzimmer nach der Afterparty, landeten einige unserer heißgeliebten Inhalte vor vielen Jahren in der digitalen Tonne. Aber keine Sorge, wir haben unsere virtuellen Schaufeln ausgepackt und buddeln nun fleißig in den Tiefen unserer Festplatten, natürlich um die verlorenen Schätze wieder ans Licht zu holen.

Da wir aber leider jedes Byte händisch polieren und zurechtrücken, dauert es eben ein bisschen länger. Rom wurde ja auch nicht an einem Tag programmiert, oder wie war das? Den Anfang macht mal ein echtes Highlight: Das legendäre Interview, das unser Mann Uwe am 7. Juni 2002 mit den Jungs von Feindflug in der Landeshauptstadt des Freistaates Sachsen führte (Ihr wißt schon, die Jungs mit der Brücke). Nach ihrem krachenden Konzert in Dresden schnappte er sich Felix, Banane und Beam, die nach der Show ziemlich im Eimer waren. Was dabei herauskam? Ein Gespräch voller Hintergründe, Witz, Charme und vielleicht dem ein oder anderen inzwischen verschwommenen Detail. Also schnallt euch an und reist mit uns zurück in das Jahr 2002, als Handys noch Antennen hatten und Feindflug die Bühnen zum Beben brachte. Bleibt dran, denn es kommen bald noch mehr Fundstücke aus unserer Daten-Archäologie!


Hier also nun das Interview vom 7. Juni 2002:


Medienkonverter: Hallo Feindflug! Wie geht es euch nach euerem Wahnsinns-Gig, den ihr gerade gespielt habt? 

Felix: Ja wie es einem so geht. Bin total am Ende, Müde und na ja, auch hungrig, aber wir hatten eben sehr viel Spaß. 

Medienkonverter: Für alle die euch noch nicht kennen, seit wann gibt es euch und wie kam es zu euerer Namensgebung?

Felix: Eine lange Frage! Geben tut es uns jetzt seit 1995. Entstanden ist es so, Banane ist sonst auch noch DJ und irgendwann haben wir uns dann zusammengetan, ich hatte das Equipment zu Hause und dann haben wir gemeinsam gesagt, wir machen jetzt mal ein Intro für die Disco und dies wurde dann ganz gut und es ist auch ganz gut angekommen. Dann haben wir halt noch ein Lied zusammen gemacht und so lief das dann an. Die Leute wollten dann letztendlich mal eine ganze CD von uns haben und nun musste man sich halt auch einen Namen einfallen lassen und auf Grund eines Samples und des ganzen Hintergrundes ist eine Thematik entstanden wo wir gesagt haben, da kann man sich dran festhalten und so entstand dann der Name Feindflug. 

Es sollte halt was sein, was prägnant ist, was einen Wiedererkennungswert hat und das so denke ich, haben wir getroffen. Zur Band gehören der Banane an der Gitarre und ich an den Keyboards. Live hast Du gesehen, waren wir heute zu dritt, sonst spielen wir auch zu viert. Heute ist der Beam noch mit dabei gewesen, der an den Drums stand und sonst ist Kai, der Sänger von Davantage noch als Keyboarder mit dabei. Dieser Umstand dient der Live-Präsentation, denn wir haben ja keinen Gesang in unseren Stücken und damit dann Live auch alles richtig rüber kommt, nehmen wir für die Auftritte noch Musiker dazu.  

Medienkonverter: Wie bezeichnet ihr selbst den Musikstil von Feindflug? 

Felix: Man wird ja immer gern in Schubladen gesteckt und unsere passt uns eigentlich auch recht gut und zwar Electro-Industrial. Beim reinen Industrial geht es doch noch monotoner und kerniger zur Sache und wir arbeiten doch auch mit Melodiepassagen, eher rhythmisch und auch strukturiert. 

Medienkonverter: Ihr spracht vorhin davon, dass ihr bei der Namensgebung einen Namen mit Wiedererkennungswert gesucht und letztlich auch gefunden habt. Nun ist es aber so, dass der Name euch in Verbund mit euerem Schriftzug und euerem Logo in eine Ecke stellt, in die ihr ja nicht wollt, wie seht ihr das selbst? 

Felix: Der Schriftzug, mit dem haben wir die meisten Probleme, ist eine amerikanische Frakturschrift und hat in keinster Weise etwas mit dem oft gedeutetem zu tun. Ja gut, bei dem Namen war es halt wirklich so, dass wir da schon nach etwas prägnantem gesucht haben, was auch reinhauen sollte. Wie schon gesagt, war uns der Wiedererkennungswert sehr wichtig. Das ist dann eigentlich der Hauptgrund gewesen, dass man uns zu unrecht oft in die rechte Ecke stellt, aber ich darf hier deutlich sagen, dem ist nicht so und es steht nichts derartiges hinter Feindflug. Im Grunde ist es so, dass man sich an einer Thematik festgebissen hat, wo wir gesagt haben die Leute sollen sich selber einen Kopf machen. Wir haben eine Geschichte gehabt und wir haben sie immer noch und es soll sich halt jeder selbst damit auseinandersetzen. Es wird keiner verurteilt und es wird auch nichts beschönigt. Irgendwie kommt es immer so rüber, dass wir das verherrlichen, dies soll aber keineswegs der Sinn der Sache sein.  

Medienkonverter: Wir sprachen gerade ausführlich über eueren Namen, kommen wir gleich zum nächsten, „Hirnschlacht“, der Name eueres aktuellen Albums, ab wann wird dieses erhältlich sein? 

Felix: Eigentlich ab heute, ab heute als limitierte Version, denn leider hatten wir Probleme mit dem entsprechendem Presswerk, da wir auch dort in die rechte Ecke interpretiert wurden, hat man sich aus politischen Gründen geweigert, das Album zu produzieren. Jetzt haben wir ein anderes Presswerk gefunden, was es ordentlich macht und von daher ist es nun so, dass die Scheibe nun dann in ein bis zwei Wochen im Laden stehen wird, so wie sie soll. Für die Tour haben wir aber schon 500 Stück als limitierte Version im Gepäck, so das wir es da schon anbieten können. 

Medienkonverter: Habt ihr euch auf Grund der ganzen Probleme, wie hier nun auch mit dem Presswerk mal Gedanken über einen möglichen Imagewechsel gemacht? 

Felix: Will ich so nicht sagen. Es kann passieren, dass die nächste Scheibe wieder in die Richtung geht wie vorher, nur das Thema haben wir jetzt oft genug besprochen, ist vielleicht nun auch ausreichend beleuchtet wurden. Es gibt halt noch genug Themen, oder Sachen auf der Welt, die man auch besprechen kann, die man verwenden kann und das muss wirklich nicht immer Weltkrieg sein, da gibt es noch genug anderes. Banalitäten, oder Abartigkeiten in der Gesellschaft, die man bringen kann, es muss wirklich nicht immer die Weltkriegsthematik eine Rolle spielen. Auf dem Album „Hirnschlacht“ hat jedes Stück eine andere Thematik, nicht wie auf dem ersten Album immer nur Krieg, Krieg, Krieg. Auf dem Album „Sterbehilfe“ ging es um Hinrichtungen ohne Ende und auf „Hirnschlacht“ geht es im Prinzip jedes mal um eine andere Thematik. Deswegen ist es im Grunde als Ganzes zu sehen, wirklich eine Hirnschlacht eben. Wenn man sich damit auseinandersetzt, sind es so viele Sachen die da auf einen einstürmen, dass man am Ende wenn man es im Kopf hat, es zu einer Hirnschlacht mutiert.  

Medienkonverter: Songs eueres neuen Albums heißen beispielsweise „Glaubenskrieg“, „Kopfschuss“, „Menschenjagd“, „Faustrecht“ oder „Blutorgel“. Wie kommt man auf solche Thematiken, die ja letztendlich wieder provokativ rüberkommen? 

Felix: Wir haben das große Problem, dass wir keinen Gesang haben, was für uns als solches zwar keins darstellt, jedoch behindert es uns die betreffende Aussage richtig rüberzubringen. Von daher bleibt uns nur die Möglichkeit, mit Samples, mit Bildern eine Message rüberzubringen, ohne Gesang ist das halt schwerer. Die Namen der einzelnen Songs sind schon eine Symbiose der einzelnen Samples und der Musik, von daher kommt dann irgendwann so ein Titel raus. Bezogen sind die Titel natürlich schon auf die Samples, die in den jeweiligen Songs vorkommen. 

Eine Ausnahme bildet da vielleicht der Song „Blutorgel“, ein bisschen was muss man sich ja schließlich auch noch einfallen lassen. Bei dem Stück geht es um die Schauprozesse in der DDR, da waren auch Hinrichtungen im Spiel und da haben wir in Bezug auf den Stalinismus hin gesagt, da es da auch Hinrichtungen und andere unschöne Dinge gegeben hat und es unter anderem da auch die sogenannte Stalinorgel gegeben hat und diese ganzen Sachen auch irgendwo ziemlich blutig waren, nennen wir den Song dann halt „Blutorgel“. Das ganze ist im Prinzip also ein Wortspiel. (Anm.: Als „Stalinorgel“ wurde ein russisches Militärfahrzeug bezeichnet, welches wie bei einer Orgel, mehrere Rohre neben- und übereinander als Aufsatz eines Militär-LKW’s hatte, aus denen mehrere Raketen gleichzeitig abgefeuert werden konnten. Durch das austreten der einzelnen Raketen entstanden auch so eine Art Pfeifgeräusche, die den Namen letztlich auch noch geprägt haben.)  

Medienkonverter: Auch an euch die Frage, da ihr wie ich selbst auch aus den neuen Bundesländern kommt, wie seht ihr die Entwicklung der ganzen Electro-Szene hier im Osten Deutschlands? 

Banane: Es tut sich recht viel, das meiste aber im Untergrund, da es sehr schwer ist, irgendwie bekannt zu werden, hochzukommen. Da fehlt beispielsweise das nötige Management und auch Labels, die die entsprechenden Sachen dann bekannt machen und in Umlauf bringen. Aber ich möchte schon sagen, es ist genügend Potential da. 

Felix: Das Potential ist riesig und auch gerade hier in Sachsen, wenn man schaut wie viele Leute hier Musik machen und was da dahinter steckt. Das Problem ist, dass auch im Untergrund, oder wie man auch sagt, im Independentbereich, es diesen als solches gar nicht mehr gibt, wenn man sieht das die Labels, sicherlich auch nicht alle, ich möchte jetzt hier nichts unterstellen, aber doch auch nur noch aufs Geld aus sind, macht sich dann eben mitunter so ein musikalischer Einheitsbrei breit. Was ich damit sagen möchte ist, dass halt ein Song wie der andere klingt, oder eine Band wie die andere klingt, nur weil es halt schon kommerziell ist und eben dies Geld bringt und das kann natürlich auch nicht gut und zweckmäßig sein. Die Bands die innovativ sind, was neues ausprobieren, die haben es dann halt schwer und ich sehe, das es gerade in Sachsen, oder im Osten Deutschlands eine Menge innovativer Bands gibt, die aber halt bei keiner Plattenfirma unterkommen. Es gibt eine Menge Bands, die in Kellern proben und produzieren, aber letztendlich auch nie darüber hinauskommen werden. Ja, von früheren Labels sind halt viele den Bach runtergegangen, oder sie sind größer geworden und wollen halt Geld verdienen und da schließt sich dann wieder der Kreis. Wenn man da als Band nicht in ein gewisses Schema passt, hat man eigentlich kaum eine Chance.

Medienkonverter: Mir ist euere doch eher ungewöhnliche Instrumentierung beim Live-Auftritt aufgefallen. Keyboards und E-Gitarre sind gängig, aber die großen Trommeln sind doch nicht alltäglich, wie seid ihr auf die Idee mit den Trommeln gekommen? 

Felix: Wir arbeiten ja ohne Sänger und da hat man Live mitunter das Problem etwas rüberzubringen und die Leute zu motivieren, da sich das Publikum ansonsten immer auf den Sänger einer Band konzentriert und ausrichtet, der ja dann auch auf die Leute eingeht und sie motiviert, alles andere ist dann eher Beiwerk. Da wir ja wie gesagt, mit keinem Sänger arbeiten haben wir uns überlegt wie wir auf der Bühne Spaß haben könnten und dies dann auf das Publikum übertragen könnten und da haben wir mit Beam an den Trommeln, glaube ich einen ganz guten Fang gemacht. Das ganze dann als Stehdrum bringt doch etwas mehr Publikumskontakt als sonst. Visuell gesehen ersetzt der Drummer bei uns den Part des Sängers. Mit der Gitarre mag das vielleicht auch noch möglich sein, am Keyboard ist es dann schon schwerer, Kontakt zum Publikum herzustellen. 

Medienkonverter: Euer Album verspätet sich aus den schon angesprochenen Problemen um ein oder zwei Wochen, wo kann man euch danach Live sehen und wird es eine Tour geben? 

Felix: Das heute hier in Dresden war im Prinzip der Tourstart. Die nächste Woche spielen wir bei Bamberg, in Hamburg und in Essen beispielsweise. Insgesamt sechs Konzerte, dann ist erst einmal Pause und im September diesen Jahres folgen dann weitere Auftritte, vermutlich noch einmal eine Woche. Wir müssen jetzt auch erst mal schauen, wie unsere aktuelle Platte läuft, denn zum einen freuen sich die Leute auf Konzerten was neues zu hören, aber andererseits sind sie dann eher selten auch gleich zum tanzen zu bewegen, da sie doch erst mal hören was da kommt. 

Medienkonverter: Wie wichtig ist euch bei Live-Auftritten die Mischung von älteren und neueren Songs? 

Felix: Früher haben wir gedacht, wenn ein neues Album da ist, muss das gleich unters Volk, weil viele auf neues Material gewartet haben, doch dann kam es oft eher schlecht an. Wenn die CD dann zwei bis drei Wochen auf dem Markt war und die Leute dann zum Konzert kamen, funktionierte es dann plötzlich, da sie die Stücke dann kannten und sie auch Live hören wollten. Heute Abend haben wir insgesamt vier Stücke vom neuen Album gespielt und sie kamen teilweise auch ganz gut an.  

Medienkonverter: Wie immer, so auch bei euch meine letzte Frage, bzw. das Angebot, Dinge loswerden zu können die euch noch am Herzen liegen, die bisher unerwähnt geblieben sind im bisherigem Gespräch. 

Beam: Die Leute die am Entstehen sind, die eine Band gründen wollen, sollen machen wie sie es für richtig halten. Sie sollen keine Angst haben und gerade drauf zu ihr Ding durchziehen.

Felix: Für mich ist ein großer Punkt, dass Musik keine politische Plattform sein sollte, in die dann noch hinein interpretiert werden sollte. Von einigen wird dies ausgenutzt, von uns aber eben nicht, da werden Sachen halt falsch verstanden, aber es gibt auch noch andere Bands, die das gleiche Problem haben wie wir und das soll und darf einfach nicht sein! Wenn man sich zum Beispiel mal überlegt, warum macht man Musik, so ist es doch so, das diese in den Clubs läuft und die Leute dabei Spaß haben sollen und nichts anderes. CD’s sollten prinzipiell keine politischen Botschaften vermitteln, da sollen sich die Leute eher Bücher kaufen, oder sich eine Rede anhören. Ich möchte ganz ehrlich, dass darüber vielleicht mal nachgedacht wird, was Leuten mit unüberlegten Äußerungen angetan wird, oder in welche Ecken man beispielsweise gestellt wird.

Banane: Mein Wunsch wäre, dass Labels und Agenturen sich vielleicht ein wenig mehr auch für ostdeutsche Bands einsetzten sollten. Auch in Clubs sollte vielleicht nicht immer nur die Musik von bekannten Leuten laufen, sondern auch und gerade mal neue Sachen gespielt werden, damit auch neue und unbekannte Bands mal eine Chance bekommen.

Medienkonverter: Vielen Dank für das Gespräch und die besten Wünsche für die Zukunft! 

Feindflug: Wir haben zu danken und ebenfalls Alles Gute!  



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