„Baalstorm, sing omega“ Das Geheimnis der Langlebigkeit eines Musik-Projektes. Ist es ein Projekt, dass sich aus der Wiederholung der alten Hits speist? Das zwar obligatorische Alben veröffentlicht, sich aber nicht aus deren Verkaufszahlen speist sondern aus den Konzerten, auf denen die Fans sowieso nur die Lieder einfordern, die sie bereits vor 25 Jahren gemocht haben. Oder ist es ein Projekt, das sich immer wieder neu erfindet? Wie schaffen es Bands, uns immer wieder aufhorchen zu lassen. Wie schaffen es Bands, uns immer wieder abzuschrecken. Und wie schafft es David Tibet auf seinem circa 17ten Album im 27sten Jahr des Bestehens von Current 93 immernoch er selbst zu sein und doch immernoch zu faszinieren? Nach einem wundervollen, wenn auch fast schon zu leicht zugänglichen „Black ships ate the sky“ 2006 und dem direkten Gegenstück „Aleph at Hallucinatory Mountain“, das durch rockige und lärmende Elemente die gewonnen Neufans gewiss wieder verschreckte ist es nun Zeit für den Abschluss der „Anok Pe"Trilogie, der durch eher ruhige Gitarren- und Pianoklänge besimmt wird: „Baalstorm, sing omega“ entstand dieses mal fast in kleinem Musikerkreise für Current93 Verhältnisse, nur 9 Musiker arbeiteten mit Tibet zusammen und es entstand ein Werk, so verschroben und in sich gekehrt, so anstrengen und so wundervoll. Und sicherlich weiterhin eine Plage für alle, die Tibets Art des „Predigens“ nicht ertragen können. Denn er hat viel zu erzählen und er tut es während der ersten Albumhälfe mit einem unermüdlichen Feuereifer. Die Musik erscheint (fast) zu einem minimalistischen Begleitobjekt zu werden. Alles dreht sich um seine Worte, seine Tiraden, seine Schreie. Der altgediente Current93 Fan ist darauf gefasst, aber dennoch sicherlich auch gefordert. „I dreamt I was æon“ weiß durch die Kraft der Worte und durch die Magie der Melodie, die Baby Dee auf dem Piano zauberte mit jedem Durchlauf mehr zu faszinieren, aber genau wie die drei folgenden Titel ist es eine Kraftprobe gegen Tibets Worte. Mit „Passenger aleph in name“ erfährt das Album eine Wendung – die Musik gewinnt an Bedeutung, erhält mehr Raum und entfaltet sich. Sicherlich ist mit „Tanks of flies“ einer der lieblichsten Current93 Songs der Bandgeschichte entstanden. Das abschließende „I dance narcoleptic“ fordert mit seiner langen Spielzeit und den verschrobenen Orgelklängen wieder volle Konzentration um dann in rauschenden Meeresgeräuschen zu verebben. Vielleicht ist es die Zusammenarbeit mit vielen Musikern, der Austausch von Ideen und Gefühlen. Vielleicht ist es das akribische Erarbeiten theologischer Theorien und die Verarbeitung dieser in kryptischen Texten (an die ich mich nicht heranwagen kann und will). Vielleicht ist es die Liebe und das Herzblut, mit dem Tibet sein Werk lebt – ob nun live oder auf seinen Alben. Was auch immer es ist – Tibet bleibt Tibet. Dies bedeutet für die eine Seite, dass er immer schrecklich ist, egal ob mit NoiseElementen, Neofolkuntermalung, Rocksounds,.... Für die Fans bedeutet es aber, dass Current 93 ein sich immer wandelndes Gesamtkunstwerk ist, das immer wieder abschreckt, herausfordert und doch zu gefallen weiß. Und mit „Baalstorm, sing omega“ zeigt sich, wie stark Current 93 auch 2010 ist. Wundervoll.