“Venus Vina Musica” heißt frei übersetzt Wein Weib und Gesang. Für ihr nunmehr 16. Album hätten die Spielleute Corvus Corax wahrlich keinen besseren Namen finden können, bleiben sie diesem Grundsatz doch selbst schon seit 17 Jahren treu. Die Silberscheibe beginnt daher ganz pragmatisch mit einem alten Hausrezept gegen die Folgen derartiger Ausschweifungen. „Anti Dolores Capitis“ ist nichts anderes als ein vertonter Zauberspruch gegen Kopfschmerzen. Man nehme eine Papyrusrolle, schreibe darauf „Löwe, Löwin, Stier, Tiger, Rabe und Panther“, binde sich das ganze an den Kopf und schreie diese Namen der Reihe nach in die Welt hinaus. Dies führen die Sieben sogleich eindrucksvoll mit einer düsteren, beinahe schon rituellen Begleitung vor und leiten mit dem Anruf der genannten Tiere gleichzeitig über zum schwungvollen Trink- und Tanzlied „Venus Vina Musica“. Mit diesem Stück beginnt die musikalische Reise eines Spielmannes im 13. Jahrhundert, die ihn in verschiedene Teile der damals bekannten Welt führt und von der er mannigfaltige Eindrücke mitbringt. Getrieben von der Suche nach Sanyogita, einer indischen Tänzerin, die im Rufe steht, die schönste Frau der Welt zu sein, landet er zuerst in Arabien bei dem Gelehrten Cafin’ddin al Urmawi. Im gleichnamigen „Urmawi“ werden demzufolge orientalisch anmutende Percussions eingesetzt, wenngleich die abendländischen Dudelsäcke den Track nach wie vor dominieren. „Tuska“ führt den Hörer mitten in ein Zigeunerlager, wo fröhlich gefeiert wird. Man sieht vor seinem inneren Auge tanzende Zigeunerinnen mit fliegenden Röcken, während die Männer jubelnd die Trommeln in schnellem Takt schlagen. Von den Zigeunern bricht der Musikant auf in den fernen Osten. Dort macht der Bekanntschaft mit den Trommelkünsten der Samurai und mischt diese mit der Musik der Völker des Himalaya. So liegt der Schwerpunkt von „Bibit Aleum“ auf den Schlaginstrumenten, die verbunden mit hellen Flötenklängen ein gemäßigteres Tempo vorgeben. „Katrinka“ lernt unser Reisender auf dem südlichen Balkan kennen und übernimmt türkische Elemente in seine Musik, ebenso keltisch/bretonische bei „Tertio“. Schließlich sieht er seine „Sanyogita“. Von Zimbeln begleitet beginnt sie ihren Tanz, der sich unter den Anfeuerungsrufen der Anwesenden nach und nach zu einem ekstatischen Wirbel der Sackpfeifen steigert. Noch betört von der Schönen begleitet der Spielmann schließlich fahrende Mönche auf ihrem Pilgerzug. Die frommen Männer stimmen dessen ansichtig die Klage über die Enthaltsamkeit „Lamentatio Coelibatus“ an und man hört in dem getragenen Stück, das in Teilen ein wenig an gregorianische Gesänge erinnert, deutlich die Peitschenhiebe, mit denen die Flagellanten ihre fleischlichen Gelüste bekämpfen. Weltmusik goes Corvus Corax, so könnte man „Venus Vina Musica“ umschreiben. Wenn auch einige fremdartige Rhythmen und Instrumente in den einzelnen Titeln zu finden sind, so liegt der Schwerpunkt nach wie vor auf den typisch Corvus Corax’schen Dudelsäcken, was dem Ganzen letztendlich doch wieder einen europäischen Anstrich verleiht. Ich hätte mir an einigen Stellen einen deutlicheren Bezug zur Musik der jeweiligen Reisestation gewünscht. Aber nichts desto trotz ein handwerklich hervorragendes, mit ein paar kleinen Gesangseinlagen gespicktes Werk der Berliner, das alteingesessene Fans mittelalterlicher Klänge nicht enttäuschen dürfte. Anmerkung: Die Promo-Version beinhaltet 8 (bzw. 9, da die ersten beiden Tracks zusammenhängen) von 12 Titeln der endgültigen Version in anderer Reihenfolge. Für die Rezension habe ich die Reihenfolge der im Handel erhältlichen CD gewählt. Die nicht in der Promo enthaltenen Titel sind mit einem * gekennzeichnet.