„Volk zu Kaltenberg...“ mit diesen Worten werden alljährlich im Juli die Gäste einer der größten mittelalterlichen Veranstaltungen begrüßt, dem Kaltenberger Ritterturnier, das seit 26 Jahren von seiner Hoheit Prinz Luitpold von Bayern ausgerichtet wird. Und was gehört zu einem richtigen mittelalterlichen Spektakel wie die Butter zum Brot? Natürlich die entsprechende Musik. Für die sind seit 1993 die Spielleute von Corvus Corax zuständig. Höchste Zeit also, die beliebtesten Stücke der „Musiker der Tafelrunde zu Kaltenberg“ auf ein Silberscheibchen zu pressen und diese so dem Volke, das in weniger begünstigten Gegenden zu Hause ist, zugänglich zu machen. Da dem geneigten Liebhaber mittelalterlicher Töne die meisten Titel bereits bekannt sein dürften, will ich in dieser Rezension weniger auf die Musik selbst eingehen, sondern lade Euch, liebe Leser, auf einen Rundgang durch das historische Treiben rund um Schloß Kaltenberg ein. Begebt Euch also mit mir in eine längst vergangene Zeit! Die Trommeln schlagen, wir vernehmen „Bibit Aleum“ und stehen an der Schloßstraße, um dem Umzug beizuwohnen, mit dem jeder Turniertag eröffnet wird. Wild aussehende Barbaren ziehen vorüber, Gaukler erheitern die Menge mit ihren Kunststückchen, Kamele werden von orientalisch gekleideten Treibern begleitet. Die Menge applaudiert phantasievoll geschmückten Stelzenläufern und Feuerspuckern, die ihre brennenden Fontänen speien. Dann erscheinen sie, die Spielleute Corvus Corax, die wilden Klänge von „Tuska“ auf ihren Flöten und Dudelsäcken blasend. Mit Kettenhemden und Helmen ausgestattete Landsknechte lassen sich davon aber wenig beirren. Gemessen schreiten Sie prächtig gekleideten adeligen Damen und Herren voran, die huldvoll die Respektsbezeugungen des Pöbels entgegennehmen. „Venus Vina Musica“, Wein, Weib und Gesang gibt es reichlich. Mehrere Bühnen wurden aufgebaut, auf denen es hoch hergeht. Während auf der Waldbühne ein mystisches Theaterstück zum Besten gegeben wird, herrscht woanders rohe Gewalt, als sich ein muskulöses Mannsbild im Kettensprengen versucht. An einigen Orten wiederum üben sich weniger muskulöse Gesellen im Biertrinken, welches wie überall in Bayern in Strömen fließt. Zu „Skudrinka“ sehen wir edlen Damen und Herren bei höfischen Tänzen zu, bevor es an der Zeit ist, sich zum Turnierplatze aufzumachen. Das Publikum wartet gespannt, lauscht den Spielleuten, die inzwischen in der Königsloge Stellung bezogen haben, und beweist, daß die Laola-Welle keinesfalls eine Erfindung der Neuzeit ist. Zur „Ballade de Mercy“ begibt sich schließlich der Adel auf seine Plätze und Gastgeber Luitpold Prinz von Bayern heißt die Anwesenden willkommen. Mögen nun die Kämpfe um Ruhm und Ehre beginnen. Dem Turniere vorauszuschicken ist, daß es sich mitnichten um ein zielloses Hauen und Stechen handelt, nein, dem Kampfe liegt stets eine Geschichte zugrunde, sei es den heiligen Gral aus unwürdigem Besitze zurückzuholen, eine verbannte Seele zu erlösen oder eine entführte Prinzessin zu befreien. Gut und Böse stehen sich da gegenüber, verkörpert durch Reiter edlen Geblüts, die sich mit dem finsteren schwarzen Ritter messen. Verschiedenste Prüfungen zu Pferde stehen an. Da müssen im vollen Galopp Ringe mit der Lanze aufgespießt werden, ein Schild ist so zu treffen, daß es sich mehrmals dreht oder Bälle sind vom Boden aufzunehmen. Auch der Ritt durch das Feuer darf die Teilnehmer nicht schrecken. Natürlich versucht der schwarze Ritter den fairen Kampf durch allerlei Tricks zu unterwandern, die Zuschauer, vor allem die ganz jungen, passen jedoch genau auf! Schließlich gipfelt der Wettstreit in einem Zweikampf - wer wird den Sieg davontragen? Das wird nicht verraten, statt dessen schlendern wir durch die Marktstände, wo mannigfacher, kunstvoll gearbeiteter Tand sowie vielfältige Leckereien feilgeboten werden. Handwerker lassen sich bei ihrer Arbeit über die Schulter sehen und man kann einen Blick in die Lager der verschiedenen Barbarenstämme wagen. Von der Rabenbühne wehen Dudelsackklänge herüber. Corvus Corax spielen das wohlbekannte „Platerspiel“ vor einem gutgelauten Auditorium, das wie von Sinnen die Arme in die Luft schleudert. Schließlich wird es Zeit, nach Hause aufzubrechen, auch das schönste Spektakel hat ein Ende und so schreiten wir zu „Salarello/Ductia/Trotto“ durch das große Tor hinaus in die Gegenwart. Als Zugabe darf die majestätische Hymne der Ritterspiele allerdings nicht fehlen. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Titeln sind hier orchestrale Klänge zu hören, „Hymnus Cantica“ stammt nämlich von der „Cantus-Buranus“-CD. Der zweite Bonustrack „Is Nomine Vacans“ indes wird ganz von getragenen Chören bestimmt. Die Dudelsäcke treten zurück und lassen Platz für filigrane Flöten tiefe Männerstimmen und martialische Percussions. Wenngleich dieser Song dem Soundtrack des Fantasy-Rollenspiels „Gothic 3“ entnommen wurde, bildet er doch einen würdigen Abschluß der Reise in die Zeit tapferer Ritter. Ich hoffe, ich konnte Euch einen kleinen Eindruck vom Kaltenberger Ritterturnier anhand meiner persönlichen Erinnerungen vermitteln. Diese erheben keinen Anspruch auf Authentizität und Vollständigkeit, sondern gründen auf den Bildern, die mir beim Hören der CD im Kopf entstanden sind. Ein bißchen schade dabei ist, daß es sich bei sämtlichen Stücken um bearbeitetes Studiomaterial handelt, so daß die Live-Atmosphäre eines Konzerts verloren geht. Dazu muß jedoch gesagt werden, daß bei den Auftritten auf der Kaltenberger Rabenbühne meines Wissens nach samt und sonders ohne neuzeitliche Hilfsmittel wie Mikrophone oder Verstärker gespielt wird, was eventuelle Aufnahmen zumindest sehr erschwert. Vielleicht deshalb wurde noch ein 15 minütiger Ausschnitt aus einem Konzert in Mexico City auf die CD gepackt. Alles in allem ein schönes, musikalisches Andenken an die Ritterspiele anno 2007. Wer sich jetzt überlegt, selbst einmal das Turnier zu besuchen, der findet unter http://www.ritterturnier.de alles Wissenswerte.