Den „Parental Advisory“Aufkleber, den das Label auf das Cover des Albums ‘Everybody Hates You’ von ‘Combichrist’ angebracht hat, sollte man erst nehmen, denn diese CD ist nichts für Kinder, Personen mit schwachen Nerven oder mit von Synthie-Pop weichgespülten Ohren. Andy LaPlegua sorgt wieder mal dafür, dass alle Fans seiner bewährten Mischung aus EBM und Industrial, angereichert mit provokant grenzwertigen Texten auf ihre Kosten kommen. Auf der zweiten CD bekommen die geneigten Zuhörer etwas abwechslungsreichere Kost serviert, die einen Hang zum Ambient Sound hat.

Ein interessanter Kontrast zum ersten Teil, zumal auf die druckvolle Gesangstimme verzichtet werden muss. Allen, die sich bis dato noch nicht mit der Musik von ‘Combichrist’ beschäftigt haben, sei an dieser Stelle dringend empfohlen, vorher ‘reinzuhören, um einen massiven Kulturschock beim Abhören im stillen Kämmerlein daheim vorzubeugen. Das können Neugierige entweder auf Amazon oder direkt auf seinem MySpace tun: http://www.myspace.com/combichrist Einen schweren technischen Fehler ist dem Label bei der Zusammenstellung der CD passiert. Zwar ist alles drauf, was muss, aber die Reihenfolge der Tracks ist eine andere als auf dem Cover abgedruckt. Mister LaPlegua dazu: „This shit will fuck you up.“ Allerdings... Thematisch beschäftigt sich dieses Doppelalbum in erste Linie mit Gewalt, Sex und Hass, sodass für jeden etwas dabei sein dürfte. Dabei kann man die Spielfreude an den Synthesizern förmlich aus den Tracks herausfließen hören. Das macht das Album diesbezüglich sehr abwechslungsreich.

Aus der ersten CD wird oben genannte Mischung mit sehr harten, leider aber wenig abwechslungsreichen Rhythmen garniert, die die Stücke sehr eingängig und auch sehr tanzbar, aber leider auch recht langweilig machen. Das führt unter anderen dazu, dass man die meisten Lieder nach einiger Zeit nicht mehr hören kann. Manchmal hat man das Glück, wie etwa bei ‘Like to Thank my Buddies’, dass dort der Rhythmus zeitweise aussetzt, was dem sonst recht eintönigen Stück zumindest etwas Struktur und Abwechslung verleiht. Dem freundlichen Frontmann von ‘Icon of Coil’ sei an dieser Stelle kein Unvermögen, sondern Absicht unterstellt, denn dass er es auch anders kann - wenn er nur will - beweisen die Stücke auf der zweiten CD. Die bei EBM-Bands seit Front 242 unvermeidlichen Samples aus Film, Funk und Fernsehen sind auf beiden CDs sehr gut integriert. Bei Liedern wie ‘This is my Rifle’ war der Sample sogar Initial. Cineasten werden sofort erkannt haben, dass es sich dabei um ein Zitat aus einer der Schlüsselszenen von Stanley Kubricks Anti-Kriegsfilm ‘Full Metal Jacket’ handelt. Darüber, ob die Auswahl des Zitates auch damit zu tun hat, dass dabei das Wort ‘Pussy’ - zu deutsch ‘Möse’ - vorkommt, kann an dieser Stelle nur spekuliert werden.

Die allgemeine Lebenserfahrung des Schreibers dieser Zeilen unter Berücksichtigung des sonstigen Inhalts der ersten CD dieser Veröffentlichung und der sonstigen Öffentlichkeitsarbeit von Combichrist sprechen jedoch eindeutig für diese These. Das Pendant aus deutschen Armeen „Das Gewehr ist die Braut des Soldaten“ wirkt dagegen eher wie ein Kindergeburtstag. Apropos Geburtstag: Den ‘Happy Fcuking Birthday’ wird man ab diesem Datum wohl öfter zu hören bekommen, denn zum einen haben die Dark Wave / EBM / Gothic / Industrial-DJs jetzt endlich ein angemessenes Liedgut, um Stammgäste, Freunde und Bekannte zu gratulieren; und zum anderen hat der gute Andy einen schön bösen Dancefloor-Knaller geschaffen, auf dessen Veröffentlichung schon Scharen von gierigen Tanzbegeisterten warten.

Von Ambient bis zu EBM-Industrial-Mischungen, das ganze auf zwei CDs verteilt, zumeist gelungen abgemischt, das schreit förmlich nach vielen Sternen. Das leider nicht möglich, dazu sind die meisten Stücke auf der ersten CD zu primitiv strukturiert und rhythmisiert. Weil mir aber ‘This is my Rifle’ und ‘Happy Fcuking Birthday’ gar so gut gefallen hat, gebe ich fünf Sterne.