1984 formierte sich die holländische Band um Sänger Ronny Moorings, um ihren trostlosen Rock unter die Deprimierten zu verbreiten. Damals, im orwell'schen Jahr, stand die Welt im Zeichen zweier sich konkurierender Systeme - liberaler Kapitalismus auf der einen und kommunistischer Sozialismus auf der anderen Seite. Aus diesen Spannungen entstand ein Wettrüsten; ein atomarer Erstschlag war nicht mehr ausgeschlossen. 40 Jahre später sind wir wieder an diesem Punkt angelangt, wenngleich unter anderen Vorzeichen. Und Clan Of Xymox sind auch noch da.
Diese haben sich auf "Exodus" von den momentanen Geschehnissen nicht bloß inspirieren lassen: Es ist eine absolutes Muss für die Band gewesen, sich zu den aktuellen Strömungen zu positionieren. Denn sehen wir, wie es ist: Die Erde wandelt ökologisch, ökonomisch und gesamtgesellschaftlich auf dystopischen Pfaden. "Exodus" ist daher der erwartbare Kommentar einer Band, die in ihren Songs ohnehin schon an der Welt verzweifeln.
Vielleicht ist es den derzeitigen Umständen geschuldet, dass "Exodus" etwas intensiver wahrgenommen wird als sonst. Denn die Band, die in den 80ern zu den Zugpferden des legendären 4AD Labels gehörten, bleibt ihrem eleganten Dark Wave weiterhin treu, der bei "I Always Feel The Same" alle Register zieht. Daneben rüschen sie wie bei "Blood Of Christ" und "X-Odus", zwei Stücke, die mit großer Wahrscheinlichkeit die Tanzflächen zum Beben bringen werden, die gitarreninduzierte Musik mit jeder Menge Elektronik auf. Das heißt auf der einen Seite, dass "Exodus" in seiner kompositorischen Struktur sehr erwartbar ist, aber weiterhin aufgrund des stilsicheren Umgangs mit den Sounds und Akkorden immer noch zünden kann.
Bereits der Vorgänger "Limbo", der sich mit der Pandemie auseinandersetzte, zeichnete Frontmann Ronny als großen Nachdenker aus. Dabei schafft er es, seine Gefühle in nur wenigen Sätzen punktgenau zu beschreiben. Mit dem Opener "Save Our Souls" setzt er einen musikalischen Notruf aus, der in wenigen Worten auch das Leid der Ukrainer inkludiert, um beim darauffolgenden "Fear For A World At War" ganz klar das benennt, was viele von uns denken: "We live in fearful times", schmettert der Sänger mit fatalistischer Stimme - und er hat Recht. Wir leben in unruhigen Zeiten, die uns zwangsläufig zu Eskapisten machen, um nicht am Wahnsinn der heutigen Zeit zu zerbrechen.
Gibt es überhaupt noch Hoffnung? Eher nicht! Nur noch Nostalgie an eine vermeintlich bessere Zeit: "Once Upon Time" schließt "Exodus" mit aufgehelltem Glockenspiel und lichtdurchlässigerem Darkwave, begleitet von Moorings wehmütigem Blick zurück, welche die Gegenwart vielleicht ein Stück weit erträglicher macht und einen gleichmütig auf sie blicken lässt.
"Exodus", das mittlerweile 18. Studioalbum der Niederländer, versteht sich dabei nicht nur als hoffnungsloser Kommentar auf die aktuellen globalen Geschehnisse, sondern kann auch als Trostspender gesehen werden. In den Songs von COX gibt es zwar keine Happy Ends, aber jede Note, welche die Band spielt, jede Note, die Ronny singt, wirken zu keiner Zeit gekünstelt oder theatralisch überhöht. Der Musiker weiß genau, was er sagen will, und er sagt es mit einer Vehemenz, dass man ihm seine Angst auch abnimmt: Dieser Mann macht sich definitiv Gedanken über die Zukunft unserer Erde.
Deswegen bleibt "Exodus" in Erinnerung: weil es das Lebensgefühl einer aus den Fugen geratenen Welt in trübsinnige Elektronikklänge kondensiert und damit gleichzeitig den Grundgedanken der Gothics in Erinnerung zurückruft. Schließlich hat man in den todessehnsüchtigen Sounds die Möglichkeit gefunden, sich von einer oberflächlichen Popkultur abgrenzen zu können. Das machen Clan Of Xymox seit nunmehr 40 Jahren. Das neue Album bildet da keine Ausnahme.