Das ist anscheinend mein Gothrock Sommer. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass sich auf meinem Schreibtisch Veröffentlichungen noch um nöcher stapeln, die allesamt die längst verschollen geglaubten Musikrichtung berreichern (Nagut, bereichern ist nicht in jedem Fall der richtige Ausdruck). Denn die Cds, die ich da hören darf versuchen nicht, neue Stilwege zu finden, sind nicht elektronisch-cool oder eigentlich Schlager mit E-Gitarre (man entschuldige den unheiligen Seitenhieb). Nein, es ist der alte und eigenwillige Gothrock oder Post Punk der 80er und Anfang-90er, der da ein kleines Revival feiert. Das freut mich und hoffentlich auch andere, also gehts heute mit Sack und Pack gen Italien *hihi* und damit zu Christine plays Viola. Mit dem tollen Auftakt "Albatross" und "Swallowed cold insanity" startet das Debut "Innocent awareness" wirklich mitreißend. Musikalisch an The house of usher, Fields of Nephilim oder Zeraphine erinnernd (Dank fetter, treibender Gitarrenarbeit und hohem aber stimmungsvollen Keyboardeinsatz) erinnert mich die Stimme schwer an eine Mischung aus ASP und Robert 'The Cure' Smith. Beim episch-schleppenden "Witch of silence" mit gelungenem Spannungsaufbau lassen sich Parallelen zu Love like Blood finden, der Gesang ist tiefer und gekünstelter. Anschließend wirds ganz klar Cure'ig, sowohl instrumental als auch gesanglich – der Text zeigt bei "Four steps in your hole" die einzig größere Schwäche von Christine plays Viola: Die Texte stammen nicht von einem englischen Muttersprachler und wirken im Zusammenhang mit den zum Teil kitschig-traurigen Themen etwas plump und unfreiwillig komisch. Durch den Einsatz moderner elektronischer Geräusche ist der Titelsong durchaus vergleichbar mit neueren Stücken von Theatre of tragedy. Eingeleitet durch eine Radiomitteilung bietet die zweite Albumhälfte auch angenehme bis gute Kost: Irgendwo zwischen Joy Division und The Cure baut "Admire new devime" eine schöne Stimmung auf, "Permutations" orientiert sich klar an Werken von House of usher und She wants revenge. Das wunderbare "The parchment sand" ist der deutlich stärkste Song des Albums und ich wünsche der Band, dass er in vielen Zimmern auf Dauerrotation laufen wird. "Failed to connect to your heart" und "I was wrong" beenden das Album leider etwas schwachbrüstig, aber es gab schon genügend Kaufgründe, da ist ein solches Ende zu verschmerzen. "Innocent awareness" ist kein reines "Klingt-wie"-Album, Christine plays Viola haben in ihrem Sound viele Elemente, die man von anderen Bands bereits kennt, was aber angesichts des eben eher eingeschränkten Sounds von Gothrock/Post Punk kaum überrascht. Die Italiener haben es aber geschafft, genau diese Elemente aufzugreifen und zu einem schlüssigen Ganzen zusammenzuführen. Ihre Lieder klingen frisch, können mitreißen und sind handwerklich weit über dem Debut-Standart. Und das auf fast gesamter Albumlänge. Nur die textlischen Schwierigkeiten fallen mir wirklich auf der "Muss-noch-besser-werden" Seite ein. Deswegen kann man das Album allen Fans des Genres uneingeschränkt empfehlen und der Band wünschen, dass sie für kommende Alben genügend Kreativität mitbringen um nicht im Durchschnitt zu versinken: aber dieser Band attestiere ich das Potenzial.