Nördlich der USA beherrschen nicht nur Kälte, Grizzlies und Ahornsirup die Wälder Kanadas, sondern auch eine wirklich rege Black Metal Szene, insbesondere um das französischsprachige Québec herum. Die ‚Métal Noir Québécois scene‘, wie man sich selbst betitelt, steht für feurig schnellen, geradlinigen und gleichzeitig überraschend mitreißenden Black Metal, der durch Forteresse weltweit Bekanntheit erlangte. Man kennt sich untereinander, man unterstützt sich gegenseitig und einige Vertreter haben eine eigenwillige, vor allem in Hinblick auf die ‚Natives‘ und die Geschichte der Besiedelung Kanadas schräge und deutlich konservative Haltung dazu, wer in diese Region gehört, aber es hält sich in meinen Augen noch im Rahmen.

Unabhängig von der Haltung vieler Musiker und Fans meines Lieblingsgenres, mit der ich seit gut 30 Jahren hadere, stehe ich sehr auf diesen pfeilschnellen und doch nicht plumpen Sound, der da aus dem Norden Amerikas kommt und eine schöne, in meinen Ohren eigenständige Soundcollage darstellt, die sich neben US-Black Metal und skandinavischem Sound weniger brutal, als mehr melancholisch, wehmütig darstellt. Cantique Lépreux lassen dem Hörer keine Ruhe, prügeln nahezu dauerhaft nach vorne und schaffen es trotzdem mithilfe einer im Hintergrund wahrnehmbaren Stimmung der Ruhe und Tragik, dass das Album nicht einfach an einem vorbeizieht. Von den ersten Takten an bin ich ganz Ohr und ähnlich gefesselt wie bei Forteresse und ihrem letzten und wuchtigsten Werk ‚Thèmes pour la rébellion‘. Ich kann nicht genau sagen, ob ich ‚Le bannissement‘ ähnlich stark finde, da sich für mich die Qualität der Musik bei in meinen Ohren rein emotionaler Wirkung dieser erst auf lange Sicht zeigt, jedoch höre ich das dritte Album der Herren nun bereits einige Male und werde nicht müde, es noch einmal zu starten. Es wird in meinen Ohren sogar besser und besser. Nach zwei wirklich gelungenen Songs stellt „Rivières rompues“ für mich einen deutlichen ersten Höhepunkt dar. Der Einbau des Pianos nach einer Minute und die Steigerung der Dramatik im Kreischen zu diesem Zeitpunkt bewegen mich sofort. Insgesamt gefallen mir die Vocals, die nicht übertrieben und mehrheitlich rauh gehalten sind und mehr eine Geschichte zu erzählen scheinen: Thema des Albums ist die Entführung einer jungen Frau und ihr Kampf mit den Widrigkeiten von Mensch und Natur auf ihrer Flucht. Auch instrumental kann ich nichts beanstanden, alles ist professionell eingeprügelt, alles findet auf hohem Niveau statt.

Es passiert selten, dass ich ein Album, dass nahezu dauerhaft aufs Gaspedal drückt, wirklich schätze. Jedoch können Cantique Lépreux ausreichend Akzente in diesem immerwährenden Sturm flechten, um die Aufmerksamkeit des Hörers zu halten. Für mich ein echtes Juwel, das ich bis zum Jahresende noch mehrfach hören werde, aber jetzt schon als Kandidaten für die Bestenliste von 2024 sehe. Unbedingt reinhören!


Cantique Lépreux – Le Bannissement

29.03.2024 / Eisenwald


https://cantiquelepreux.bandcamp.com/album/le-bannissement


1. Le ravissement
2. Fuir
3. Rivières rompues
4. Archétypes
5. Par la gueule des fantômes
6. Le rêve primordial
7. Consécration