„Contro.Luce“, das neue Album der Italiener von Canaan, wartet mit einem nicht alltäglichen Konzept auf. Nach fünf Jahren des Wartens, zuletzt wurde „The unsaid words“ 2006 veröffentlicht, haben sich die Hoffnungen auf ein beeindruckendes Klangkunstwerk, wie es die Band um Sänger Mauro jetzt vorlegt, erfüllt. „Contro.Luce“, was so viel bedeutet wie „wider/gegen das Licht“, setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der betitelten Albumstücke zusammen. Zwischen diesen St??cken haben Canaan jeweils ein oder mehrere unbetitelte Interludien eingestreut, was schließlich zu 21 Stücken und rund 72 Minuten Spielzeit führt. Viel Zeit also, um ein ausladendes Bouquet an Tönen, Klängen, Rhythmen und Gesang zu präsentieren, wobei sich Canaan bei letzterem diesmal vollständig auf die italienische Sprache konzentrieren – keineswegs zum Nachteil für das Album. Ganz im Gegenteil, fügt sie sich doch durch ihren harmonischen Klang perfekt in das Gesamtbild ein. Der Grundtenor ist geprägt von einer schweren Melancholie, von beschwörerischer Magie und elegischer Dunkelheit, aus der nur an wenigen Stellen kaum merklich das Licht hervorblitzt, erzeugt von einer opulenten, vielfältigen Instrumentierung. Synthesizer treffen auf rockige Gitarren und Bass, dazu gesellen sich ein Schlagzeug und filigrane Streichinstrumente wie Violine und Cello sowie Mauros Gesang. Sanft und verträumt fügt sich seine Stimme wie eine weitere Klangebene in den dichten, vielschichtigen Melodieteppich ein, nur ganz selten durchbricht sie das Gefüge und tritt harsch und aggressiv, ja fast metallisch-böse hervor. Weibliche Stimmen kommen kaum zum Einsatz, da Mauros Gesang meisterhaft zwischen Engel und Dämon variiert und die Atmosphäre voll und ganz „beherrscht“. Canaan experimentieren mit einer faszinierenden Mixtur aus Elektronik, Doom, Rock und perkussivem Industrial, bei der mitunter poppige Elemente, jazzig angehauchte Melodien und orientalisch-okzidentalische Klänge von betörender Schönheit und Eleganz das Tüpfelchen auf dem i setzen. „Unterbrochen“ werden die einzelnen Stücke von instrumentellen Interludien, die die Stimmung des Vorgängerstückes aufgreifen und einen Übergang zum nachfolgenden schaffen, sei es in Form einer verträumten Synthie-Piano-Komposition oder rhythmischer Noise- und Industrialeskapaden (mit Gitarrenverstärkung). Diese „Zwischenspiele“ sind teilweise derart intensiv und ausgefeilt, dass sie dem ein oder anderen Hauptstück fast den Rang ablaufen. Damit wird „Contro.Luce“ zu einem Werk überbordender Fülle an Klängen und Stimmungen, wie sie normalerweise selten auf einem Album anzutreffen sind. Canaan gelingt dabei das Kunststück, aus der schieren Vielfalt eine stimmige, überzeugende Einheit zu schaffen – und dabei z.B. extremen Polaritäten wie „Calma“ und „Terrore“ ihren Platz zu geben. Allerdings verlangt das Album Zeit und Aufmerksamkeit, um all das geben zu können, wozu es in der Lage ist: Faszination, Träume, Entspannung, Inspiration. Ein wenig schade ist lediglich, dass die Songtexte nicht ins Englische übersetzt, sondern auf Italienisch abgedruckt wurden. Hier ist das Bemühen eines Wörterbuches sicher lohnenswert.