Als ich das Byrdi Debut 2014 besprechen durfte, schloss ich damit, dass das Projekt ein ungeschliffenes Juwel skandinavischer Folkmusik sei und sich die gute halbe Stunde sicherlich lohnen kann. Jedoch, in der Flut der Veröffentlichungen unserer Zeit und wohl auch aufgrund der Tatsache, dass ich diese Form des Folk nur aus dem Augenwinkel verfolge, verpasste ich 2017 das Zweitwerk ‚Urkraft‘. Aber nun flatterte mit ‚Byrjing‘ das aktuelle Werk in mein Email Postfach – kann sich erneut Begeisterung einstellen?

Ja. Definitiv! Review fertig?

Na gut, ein paar Zeilen mehr dürfen es wohl doch sein, auch wenn ich das Resümee vorwegnehme. Ich erinnere mich an eine ausgesprochen verträumte, lieblich-kitschige aber doch authentische, rein instrumentale Scheibe. ‚Eventyr‘ war ein kleines Album, still und flüchtig wie die Trolle in den nordischen Wäldern. Nun lese ich, dass mit dem zweiten Album Sänger und Songwriter Andreas Paulsen zum Duo Nash Rothanburg and Jørn Øyhus stieß und nun auch die Harfenistin Gulia Wyrd-Svartskog – Byrdi wächst und der klangliche und kompositorische Wandel, der sich in den letzten 7 Jahren eingestellt hat, ist für mich beeindruckend. Der Sound ist warm, harmonisch, ruhig. Byrdi agieren weiterhin sehr zurückgenommen, spielen weit weg von überfrachteten Neofolk Kapellen aber auch von all jenen, die denken, dass eine Wanderklampfe und schiefer Gesang reichen für das Presswerk. Oft vernimmt man neben sehr dezenten Percussions und wundervollem Gesang nur eines der beteiligten Instrumente – man lässt sich gegenseitig Raum. Die Produktion ist dabei der Hammer, warm, mühevoll, auffällig unauffällig. Ich habe nicht das Gefühl, ‚Byrjing‘ zu hören. Ich meine, es zu träumen. Es schleicht sich in meinen Schädel und streichelt meine Gehörgänge. Ein Effekt, den ich selten so intensiv erlebt habe und der mich dazu trieb, das Album seit Wochen wieder und wieder mit geschlossenen Augen zu genießen. Und das Beste kommt erst noch: Auch wenn Byrdi weiterhin einen Folk spielen, den man nun wirklich oft genug kennt (als guter Black Metaller natürlich spätestens mit Ulvers Kveldssanger, in dessen Spuren man auch Byrdi verorten kann) haben sie auf ‚Byrjing‘ das fast Unmögliche geschafft und einige grandios-mitreißende Melodien gezaubert. Ich kann uneingeschränkt jedes Stück zum Reinlauschen empfehlen, „Huldre“ und „Heim“ dabei als die schwächsten, weil nur gute und wenig besondere Stücke ausmachend. Schade, dass ausgerechnet sie bei Bandcamp zur Verfügung gestellt werden zusammen mit der geilen Maultrommelnummer „Solsnu“. Letztgenannte ist zwar toll und weiter unten als Video angehängt, lässt aber musikalisch mehr Verwandtschaft mit den befreundeten Wardruna vermuten, als es der Rest des Albums tut. Byrdi sind nicht rituell-monoton, sie sind verträumtes Säuseln am abendlichen Lagerfeuer. Sie sind Sonnenuntergang in Pastell. Sie sind quasi das Gegenstück zu Wardruna. Und sie sind dabei verdammt gut.

Jørn Øyhus lieferte vor Kurzem erst mit seinem Projekt Nordein ein wunderbares Werk skandinavischer Verträumtheit ab, aber Byrdi legen da noch einmal eine deutliche Schippe drauf. Ein jeder, der skandinavischen Folk auch nur ansatzweise schätzt, darf gerne reinhören. Soll reinhören. Muss reinhören. Und dann werden sich die Geister scheiden – die einen werden sagen „zu nett und langweilig“ und die anderen werden in den Wäldern verschwinden und mit den Trollen tanzen.

 

Byrdi

Byrjing

 

05.03.2021

Trollmusic

 

https://byrdi-no.bandcamp.com/album/byrjing

 

01. Solsnu
02. Geirodd
03. Eg
04. Stein på stein
05. Huldre
06. Heim
07. Byrdi
08. Byrjing