Boytronic - Dependence

Boytronic - Dependence

Boytronic – das ist jene legendäre Band, die einst mit unvergesslichen Hits wie „You“ und „Luna Square“ Maßstäbe in der Synthpop-Welt setzte und zahlreiche Fans um sich scharte. Diese Formation, die über die Jahre hinweg immer wieder personelle Veränderungen durchlief, schickt nun – erneut in teils veränderter Besetzung – ein weiteres Album ins Rennen. Das Werk trägt den Titel „Dependence“ und bietet einen musikalischen Ansatz, der deutlich anders klingt als das, was man von früher gewohnt ist.

Vom ursprünglichen Kern der Gruppe ist lediglich Holger Wobker, auch bekannt unter seinem Künstlernamen Bryllyant Berger, übrig geblieben. Er hält die Fahne des klassischen Boytronic-Sounds hoch, zumindest insofern es ihm in dieser neuen Konstellation möglich ist. Zwar hat auch Hayo Panarinfo anfangs noch an einigen Stellen zur Entstehung dieses Tonträgers beigetragen, doch verließ er die Band, bevor „Dependence“ vollständig fertiggestellt und offiziell veröffentlicht werden konnte. Für frischen Wind sorgen nun Hans Johm und Michael Maria Ziffels, zwei Musiker, die bereits in anderen Projekten ihre Erfahrung unter Beweis gestellt haben. Dass ihre Einflüsse hier tatsächlich eine Bereicherung für das Gesamtbild darstellen, darf allerdings bezweifelt werden, denn die klangliche Entwicklung wirkt weniger wie ein harmonisches Zusammenwachsen unterschiedlicher Talente als vielmehr wie ein unentschlossenes Herumprobieren in verschiedenen Stilrichtungen.

Leider führt genau diese stilistische Zersplitterung zu einem Ergebnis, das sowohl eigenwillig als auch austauschbar klingt, ohne dabei wirklich im Gedächtnis zu bleiben. Die allzu große Vielfalt an Genres und Experimenten verschmilzt nicht zu etwas Neuartigem oder Interessantem, sondern ergibt ein seltsam blasses, konturloses Klangbild. Die rein instrumentalen Passagen etwa wirken erschreckend flach und energiearm: Es fehlen klare Höhepunkte, prägnante Melodielinien oder Spannungsmomente, die den Zuhörer in den Bann ziehen könnten. Die Stücke, die offenbar als Balladen gedacht sind, plätschern leise dahin und scheinen eher zu säuseln als tief zu berühren. Selbst bei den wenigen tanzbaren Nummern, zu denen unter anderem „Little Italian Feeling“ zählt, fällt sofort auf, dass der Klang in den unteren Frequenzbereichen seltsam ausgehöhlt wirkt, als hätte man einfach den Bassregler heruntergedreht. Ironischerweise ist es ausgerechnet dieser erste ausgekoppelte Titel, der am ehesten an frühere, erfolgreiche Bands wie Dead or Alive erinnert, und damit noch zu den stärkeren Momenten dieses Albums zählt – doch auch das ist im Vergleich zu alten Boytronic-Höhepunkten eher ein schwacher Trost.

Ein weiterer Versuch, an vergangene Erfolge anzuknüpfen, ist „Für immer“, eine modernisierte Neubearbeitung des Klassikers „Forever“ vom 1985er-Album „The Continental“. Leider vermag diese Neuinterpretation weder die ursprüngliche Magie noch den einstigen Charme des Originals einzufangen. Stattdessen klingt sie steril, glanzlos und überraschend leblos, was gerade vor dem Hintergrund heutiger technischer Möglichkeiten äußerst enttäuschend ist. Hinzu kommt ein unglücklich gewählter deutscher Text, der unangenehm hölzern und ungeschickt wirkt, sodass sich die Frage aufdrängt, warum man diesen ikonischen Track derart unvorteilhaft überarbeiten musste. Das neue „Für immer“ wirkt in jeglicher Hinsicht ärmer und einfallsloser als sein historisches Pendant, das im Vergleich nur umso voller und abwechslungsreicher erscheint.

Das übrige Material von „Dependence“ fügt sich nahtlos in dieses unerfreuliche Gesamtbild ein: Es ist belanglos, blass, farblos und wird ohne besonderen Eindruck an den Hörern vorbeiziehen. Ein wirklich prägnanter oder erinnerungswürdiger Moment ist kaum zu finden, und so bleibt es im Grunde genommen müßig, darüber zu spekulieren, ob diese Platte mit einer anderen, vielleicht stärker an die alten Zeiten angelehnten Besetzung zu einem Hit hätte werden können. Was am Ende übrig bleibt, ist ein Werk, das enttäuscht und nahezu komplett hinter den Erwartungen zurückbleibt. Das ist schlicht nicht mehr jenes Boytronic, wie man sie einst kannte, schätzte und liebte. Die musikalische Qualität überzeugt nicht, die Produktion klingt roh und unfertig, als habe man auf halber Strecke beschlossen, das Projekt eiligst abzuschließen, bevor weitere Qualitätskontrollen oder Verfeinerungen stattfinden konnten.

Zum Vergleich: „Autotunes“, das letzte Album, war einst ein unerwartetes, aber dafür umso gelungeneres Comeback, das alte Stärken neu aufleben ließ. „Dependence“ hingegen wird wohl rasch im Dunkel des Vergessens verschwinden und in der Diskografie der Band als ein eher missglückter, orientierungsloser Versuch gelten. Wer wirklich gute, zeitlos schöne Musik von Boytronic hören möchte, ist weitaus besser damit beraten, zu den neu aufgelegten Klassikern aus vergangenen Jahrzehnten zu greifen oder aber erneut „Autotunes“ hervorzuholen, um sich daran zu erinnern, was diese Band einst ausgemacht hat – jenes unverkennbare Etwas, das „Dependence“ so schmerzlich vermissen lässt.

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