Blutengel - Dämonen:Sturm

Blutengel - DämonenSturm

Im Allgemeinen bezeichnet der Begriff "Dämon" Sagengestalten, zumeist von böser Natur. Als Geister klassifiziert, sind sie den Gottwesen nicht ganz unähnlich. So wird in der christlichen Religionslehre auch der Teufel als Dämon beschrieben. Wenn Blutengel-Chefdenker Chris Pohl auf seinem aktuellen Werk von Dämonen spricht, lässt er jedoch den mythologischen Aspekt größtenteils aus. Die bösen Geister, die ihn umgeben sind vor allem: Depression, Zukunfts- und Verlustängste. Sie thematisiert der Berliner in Songs, die stilistisch zwar keine Überraschungen bieten - Blutengel setzt nach wie vor auf einen pompösen, auf Eingängigkeit bedachten Hybrid aus Rock, Wave und Electro - deren Intimität und auch Nachdenklichkeit aber den Rückschluss zulassen, dass Chris, auch schon stramm in den 50ern, sich immer häufiger der Tatsache stellen muss, dass im Leben alles endlich ist.

Vor allem aber sieht der Frontmann eine Welt, die in ihren moralischen Grundfesten erschüttert ist. Kriege, Umweltkatastrophen, neue politische Ordnungen und eine Gesellschaft, die auch hierzulande gespalten zu sein scheint, treiben den Musiker um. Selten hat Chris Pohl so explizit sein Seelenleben preisgegeben wie beim kantigen Song "Angst", bei dem es förmlich aus ihm ausbricht. "Ich habe Angst in der Zeit, in der wir leben", zeigt sich der Mann sichtlich besorgt. Dem deutschen Refrain stellt er englische Strophen gegenüber, die nicht weniger bedrohlich klingen. "Will this day be the last day? Will they drop the bomb today? Will it end like this?". Fragen, denen keine Antwort folgt. Denn man weiß einfach nicht, was passieren wird.

Aus diesem Gefühlsgemenge heraus entwickelt Pohl in "My Creation" einen verbitterten Blick auf die Menschheit, indem er in die Rolle Gottes schlüpft. Dieser ist von seiner Schöpfung angewidert und wendet sich ab. Blutengel verflechten hier Gesellschafts- mit Religionskritik auf einfache, aber wirksame Weise: Nicht nur, dass wir es nicht schaffen, Werte wie Nächstenliebe und Güte zu leben, wir sind immer noch im ständigen Wettstreit darüber, zu erfahren, welcher Gott denn nun der einzig wahre ist. An dieser Frage klebt das Blut vieler Menschen, die im Laufe der Jahrtausende ihr Leben für diese abscheulichen Glaubenskriege lassen mussten. Das war sicherlich nicht im Sinne des Allmächtigen, der uns laut Schrift als sein Abbild erschaffen hat.

Ist also "Dämonen:Sturm" ein zynisches Manifest geworden? Nein! Denn so sehr auch der Musiker am Leben (ver)zweifelt, so sehr stellt er sich auf die Hinterbeine und stürzt sich, getreu der Prämisse: "Jetzt erst recht!", ins Leben, das er im Moment geniesst. Carpe diem eben! Das große "Ja!" zum Weitermachen manifestiert sich bei Blutengel stets in den tanzbaren, eingängigen Stücken, die der Hörerschaft ein gutes Gefühl vermitteln sollen. Besonders gelungen ist ihm dies bei "Nothing Left", bei dem er auch noch prominente Unterstützung bekommen hat: Sven Friedrich (Zeraphine, Solar Fake) tritt als Gastsänger auf. Die beiden Stimmen harmonieren perfekt und machen den inhatlich nachdenklichen Song dank geschmeidiger Synthielinien zu einem Clubkracher der Marke "sichere Bank". Für die insgesamt wieder einmal hochwertige Produktion zeichnet übrigen erneut Henning Verlage verantwortlich. Seine Meisterschaft ist natürlich unbestritten, ist er doch vor allem durch seine Abreit mit Unheilig bekannt (die ihm wiederum sogar Engagements als Produzent für Schlagergrößen wie Bernhard Brink und Nik P. einbrachte).

Eingefleischte Fans, die Blutengel seit Dekaden die Treue halten, werden also nicht enttäuscht sein ob des üppigen Albums, das handwerklich oberstes Regal ist und bereits in der Standard-Version zwei CDs enthält. Als limitierte Edition erscheint "Dämonen:Sturm" in einer hochwertigen Box in Form eines Ouija-Bretts inklusive Planchette, Räuchersschale und beigelegten Kräutern sowie einem Tarot-Kartenset und noch einigen Devotionalien mehr. Letztgenannte Ausführung ist sicherlich nur für den Die-Hard-Fan, der auch noch das nötige Kleingeld dafür hat. Ansonsten wird es wie immer sein: Haters gonna hate. Denn Blutengel bleibt das geliebt-gehasste Projekt, dem Kritiker Oberflächlichkeit und Mainstreamanbiederung vorwerfen, während Fans sich von den einfachen, aber geradlinigen Texten abgeholt fühlen.


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