Hätte es einen Plan gegeben, könnte man Bloodhype als völligen Querschläger bezeichnen. Denn wer geht schon mit Punkrock-Vorsätzen in den Proberaum und kommt mit nostalgiegeladener 80s-Aura wieder heraus? Es ist der Sound ihrer Kindheit, den die vier Musiker ins Heute verpflanzt und zu ihrem eigenen Rock-Juwel entwickelt haben. Jetzt zeigen sie mit ihrem Debütalbum »Modern Eyes«, wie man sich als Band praktisch aus dem Stand selbst übertrifft.
Tatsächlich begann die Geschichte von Bloodhype, die sich nach der gefährlichsten Droge der Galaxie in Alan Dean Fosters gleichnamigem Roman tauften, absolut ergebnisoffen. Sie legten einfach los. Im Nu übernahm die Intuition, hatte man sich vom gemeinsamen Hardcore-Punk-Background entfernt und huldigte den großen, hochglänzenden Rock- und Pop-Gesten der 80er. Und weil das mit dem Bloodhype-Twist so herrlich frisch und selbstverständlich klingt, machten sie einfach weiter. »Wolves«, die Debüt-EP, erschien 2018 und fand europaweit Anklang; bis heute sammelten Bloodhype plattformübergreifend mehr als 3 Millionen Streams.
Der erste Longplayer »Modern Eyes« wurde vor allem aus Dingen geboren, von denen seine Schöpfer nie gedacht hätten, dass sie sie tun – bei Talk Talk, Genesis und Huey Lewis abgucken, zum Beispiel. Das Resultat ist raffinierter, abgebrühter und dynamischer als das bislang veröffentlichte Material – vom Schreibprozess über die Aufnahmemethoden bis hin zur Rhythmik. Auch, weil die zusammen wohnenden Musiker in den letzten Jahren einen großen Schluck Berlin genommen und in ihre musikalische DNA eingeschleust haben. Die Songs des Debütalbums wurden in verschiedenen Berliner Tonstudios, unter anderem den legendären Hansa Studios, aufgenommen.
Die Häufung unterschiedlichster Stilrichtungen und Vibes in der Hauptstadt hatte ihren Teil an der stilistischen Ungezwungenheit. Trotz – oder vielleicht gerade wegen? – des Überangebots an Inspiration steckt »Modern Eyes« voller strahlender, zeitloser Hymnen. Die Videos und Artworks unterstreichen den Anspruch des Quartetts an die eigene Arbeit – zuletzt im Clip zur aktuellen Single »On & On«, der mit seiner körnigen Bildstimmung auch optisch tief in die Trickkiste der Eighties greift und sich doch frei von Patina präsentiert.
Mit überholten Rockband-Klischees zu brechen und auch vom Scheitern, vom Zweifeln und von anderen eher unglamourösen Lebenslagen zu erzählen, ist Teil des Bloodhype-Prinzips. Wie im Titeltrack (»You know Iʼm always ready/For the hand of doubt/To take me under«). Oder in der tiefdüsteren, zwischenspielartigen Mini-Ballade »The Wire«, bevor Bloodhype mit dem energiegeladenen »Violent Heart« ums finale Läuterfeuer tanzen. Selbst bissige Elitenkritik gehört mit zum Repertoire und wird – wie in »The Little Things« – mit der gebotenen Schärfe serviert. Und man hat so das Gefühl, als könnten Bloodhype mit diesem meisterlich aufpolierten Soundgewand auch in Zukunft noch so manchen Volltreffer landen.