Ja, das menschliche Gehirn ist eine ganz wundersame Maschine.... Kaum kriegt sie einen Input, sei es ein Geräusch, Geruch, Geschmack, oder ein Bild, fängt sie sofort an äußerst komplexe Assoziationsketten zu produzieren. Als ich zum ersten Mal den Silberling „Vengeance for Blood“ von Blood in meinen Händen hielt, musste ich sofort an Fantômas denken. Vor genau fünf Jahren spielte die genial/wahnsinnige Band von Mike Patton im Bielefelder Forum das geilste und dabei auch das lauteste Konzert, dass ich bis heute gehört habe. Die Vorgruppe an dem Abend bestand aus drei total durchgeknallten Japanerinnen in kurzen Kleidchen. Die Mädels trugen dabei denkbar seltsamen Haarschmuck aus netzartigen Plastikschläuchen, in welchen in meiner polnischer Heimat das portionierte Suppengrün verkauft wird. Das Ganze wurde mit Watte gestopft, was bei den Zuschauern den Anschein überdimensionalen Damenbinden erweckte. Das Trio spielte verdammt lauten Hardcore Punk, schaffte es aber leider ziemlich selten die Töne halbwegs sauber und synchron zu produzieren. Am Merchandise Stand, in mitten von dem Gewühl, das lautstärketechnisch den Düsenjet beim Landen übertraf, saß der Tourmanager der Japanerinnen und..... telefonierte seelenruhig mit dem Handy. Wie er es bei dem Höllenlärm überhaupt geschafft hat mit seinem Gesprächspartner zu kommunizieren, bleibt mir bis heute ein Rätsel. Und warum diese lange Einleitung? Auf der Rückseite von „Vengeance for Blood“ sind drei in spacige gothik Kluft gekleidete, aufgedonnerte Damen abgebildet, die so aussehen, als ob sie einem Manga Comic entsprungen sind. Die komischen Zeichen vermischt mit englischen Worten kommen mir verdächtig bekannt vor. Verdammt! Lieber Gott, bittebittebittebitte KEINE durchgeknallten Japanrinnen mehr, die weder das Instrumentarium noch das eigene Gesangsorgan richtig beherrschen können! Die traurige Gewissheit kommt nach dem 19sekundigen Intro, was aus Glockengebimmel besteht. Warum in aller Welt muss die Mehrheit der weiblichen Bewohner des Landes der Kirschblüte mit Musikerambitionen ausgerechnet das scheiß Hardcore Gedöns spielen?! Aber Moment mal, hoppla, entweder hat die gerade singende Dame eine ganz böse Kehlkopfentzündung, oder ist sie eigentlich ein er. Ein zweiter, etwas aufmerksamerer Blick auf die Rückseite des Covers und... Was ist schlimmer als drei durchgedrehte japanische Hardcore Miezen? Genau, drei völlig durchgeknallte japanische Transen. Wenigstens scheint diesmal das Trio, zumindest auf der CD, seine Instrumente halbwegs synchron bedienen zu können, nur die Stimme des Sängers klingt etwas, sagen wir, dürftig. Allerdings wurde sie gnädigerweise etwas leiser als üblich abgemischt. Das Gesungene zu verstehen geht sowieso nicht, es sei denn dass der europäische Musikkonsument zufällig der japanischer Sprache mächtig ist. OK, musikalisch bitten die Herren Fu-ki, Kiwamu und Kaede sowohl eine etwas düstere Mischung aus Hardcore und Death Metal („The Funeral for Humanity“, „D.T.M.H.“), zwei genauso düsteren Balladen („Blind“, „Unforgiven“) und ein Stück namens „Under the Sensual Moon“, das sich nach einer schlechten Kopie von Him’s Kracher „Join Me“ gepaart mit grausamen elektronischen Drums anhört. Auch darauffolgende „Tamnei“ hört sich irgendwie nach den finnischen Bravogothen an. Das ganze, wie bereits erwähnt, mit für meinen Geschmack total unpassender Stimme gesungen, aber wem’s gefällt, bitte schön. Wenigstens haben die Japaner halbwegs gut „zitiert“. Eine positive Überraschung – nach 20 Minuten ist die CD bereits zu Ende. Der „Vengeance for Blood“ CD liegt auch eine „Live DVD“ bei. Die totale Spielzeit beträgt gerade mal 11 Minuten, wie man dem Cover entnehmen kann, also rein damit. Bereits nach 60 Sek. fehlen mir die Worte, außer vielleicht „Oh mein Gott!!!!“. Die „Bielefelder“ Japanerinnen lassen grüßen. Es ist soooo grottenschlecht, dass es fast kultig ist, aber halt nur fast. Die aufgedonnerten Herren hüpfen wild, das mit dem Singen klappt nicht wirklich und das scheinbar entzückte Publikum kreischt die ganze Zeit ununterbrochen. Verdächtig laut und regelmäßig übrigens. Wie ist es überhaupt möglich? Ganz einfach, der Tontechniker, der die DVD abgemischt hat, hat die entsprechenden Geräusche geloopt. Das Gesungene wurde dabei anscheinend mit einem äußerst unprofessionellen Gerät Marke „My first Sony“ (na, erinnern wir uns noch an das tolle stoßsichere Kinderspielzeug, das so scheiß teuer wegen dem Namen des Herstellers war?). Gott sei Dank gibt es keine ganzen Livemitschnitte von den Liedern, sondern nur kleine Schnipsel, die voll ausgespielten Werke hätte nämlich garantiert keiner ausgehalten. Die deutschsprachigen „Zugabe“ Schreie (ja, die „Vengeance for Blood Oneman Tour 2004“ hat tatsächlich auch hierzulande Halt gemacht) hat der Soundmischer wohl aus einer Rammstein Liveaufnahme rausgeschnitten. Abschließend ist auf der DVD noch der Clip zum „The Funeral for Humanity“ zu sehen, der so wundervoll klischeehaft gestrickt ist, dass er, obgleich vermutlich nicht im Sinne des Erfinders, richtig lustig ist. Die Internetseite von Blood ist teilweise genauso schräg wie die Band selbst und verrät den Fans die Lieblings- Zigaretten und Parfum Marken der Herren, sonst geizt sie leider mit für Musikjournalisten nützlichen Informationen, aber das gehört scheinbar zu dem gesamten Vermarktungskonzept der Band. Blood sind schräg und gewöhnungsbedürftig und haben nach allgemein geltenden Kriterien der CD Kritikkunst eigentlich minus drei Sterne verdient. Insbesondere die Live DVD ist qualitativ unter aller Sau, aber irgendwie ist das Ganze wiederum so schlecht, dass es fast schon wieder gut ist. Für Trash Fans deswegen ein absolutes Muss!