20 Jahre. Mit 20 Jahren ist man ein Twen. Genau gesehen, wird man gerade einer. Ich behaupte mal, man ist zu dieser Zeit schon so etwas wie selbständig und hat Profil. Man wird langsam erwachsen. Als das WGT vor 20 Jahren noch in seinen Kinderschuhen steckte, gab es Lagerfeuerromantik, campen auf dem Sportplatz und mit dem „Werk 2“ genau eine Location. Jetzt - 20 Jahre später – ist von der Teenagerrebellion nicht mehr viel übrig, von der „Hemdsärmligkeit“ aber auch nicht mehr. Das WGT ist erwachsen geworden...irgendwie...was nicht zu verwechseln ist mit spröde oder spießig. Das schwarze Treffen in Leipzig hat sich zu dem größten Festival seiner Art entwickelt. Weltweit. Ein organisatorischer Kraftakt, ein breit gefächertes Angebot, das seinesgleichen sucht. Dem „Werk 2“ haben sich viele Locations angeschlossen. Die Musik wird ergänzt um Lifestyle, Literatur und Kultur. Eine Entwicklung, die nicht jedem behagt. Eine Entwicklung, die das WGT aber eben auch so erfolgreich gemacht hat. Passend zum großen Jubiläum ist beim Plöttner Verlag die Retrospektive „Black Celebration – 20 years Wave-Gotik-Treffen“ erschienen. Ein wunderbar aufgearbeitetes Werk, dass die verschiedensten Anekdoten, persönlichen Erinnerungen, Lobeshymnen und kritische Stimmen mit zahlreichen hochwertigen Momentaufnahmen kombiniert. Die Beiträge von namhaften Szenekennern und -machern wie Bruno Kramm, Myk Jung, Klive Humberstone oder der Schwarzen Lieblingsdoktor Mark Benecke handeln zwar alle vom gleichen Thema, haben aber wenig gemeinsam. Jeder blickt mit einem anderen Auge auf 20 Jahre WGT – als Gast, Künstler, Mitgestalter. Witz, Charme und Schwärmereien treffen auf erfrischende Art auf Wemut oder Fragen über einer Zenit, der möglicherweise überschritten ist und mit dem Beitrag der Universität Leipzig gibt es außerdem handfeste Fakten. Um der Internationalität des Festivals gerecht zu werden, gibt es die Artikel sämtlichst in Deutsch und Englisch. Gerade für alle, die nicht die ersten Jahre des Festivals miterleben konnten, ist es spannend zu lesen wie „einfach“ alles begonnen hat. In einem gerade erst wieder geeinten Deutschland, in einem Land, das vorher noch hinter Mauern lag, wo jeder gleich war (zu sein hatte). Als Punk oder Grufti wurde man lange nicht so freundlich von den Leipziger Einwohnern empfangen wie heute. Mittlerweile herrscht doch eine gewisse neugierige Zuneigung, die mehr ist als nur reine Akzeptanz. Von argwöhnisch beäugten Exzessen auf dem Sportplatz hat sich das WGT zu einem Wirtschaftsfaktor entwickelt und die Leipziger lieben „ihre Gruftis“. An Pfingsten hat man seine Kamera einstecken. Es ist spannend zu lesen, welche Schritte zwischen diesen zwei Extremen liegen. Welche Vor- oder welche Nachteile es bringt und ob der anfängliche Gedanke des WGT noch lebt. Das schöne an den unterschiedlichen Autoren ist, dass man am Ende keine Meinung aufgepresst bekommt. Man liest von so vielen unterhaltsamen Facetten der Kulturveranstaltung und dem wohl schwärzesten Moment des Events – dem Pleite-WGT 2000. In Verbindung mit den authentischen Fotografien bietet „Black Celebration“ genügend Raum und vor allem einen wunderbaren Ausgangspunkt für eigene Erinnerungen und sein Fazit zu ein, zwei, drei....oder gar 20 Jahren WGT. Um am Ende aber noch einen „Zauber“ vom Wave-Gotik-Treffen zu nehmen. Die schwarze Szene ist gar keine ach so verrückte Jugendkultur. In der schwarzen Szene fasst man zwar früh Fuß, aber man wird auch alt mit und in ihr. Und das Klischee von pöbelnden und faulen Punks oder verklärten Weltfremden kann auch nicht bedient werden. In der Schwarzen Szene ist die hohe Bildung augenscheinlich. So rebellisch und ausgeflippt sind wird alle also gar nicht. Als hätten wir WGTler das nicht längst gewusst... Am Schluss noch meine Kaufempfehlung. Die 192 Seiten sind ihre 13 Euro wirklich wert und eine verdiente Würdigung dieses einzigartigen Festivals. Viel Freude beim Lesen!