In der Regel bergen melancholische Songs auch immer ein Stück Hoffnung in sich. Aus dem Dunkel tritt das lyrische Ich in irgend einer Form dann doch zu Tage. Oder versucht zumindest, in dieser Zeit der Schwere seine Gedanken in eine positive, mutmachende Richtung zu lenken. Das Electro-Projekt Blac Kolor aus Leipzig dreht den Spieß um. "Am Anfang war Licht" beginnt das sechste Album "Weltenbrand"; und es schließt mit dem Titel "am Ende ist Dunkelheit". Eine deutliche Ansage von Mastermind Hendrick Grothe, der nicht mehr ein Fünf-vor-zwölf-Gefühl darlegen, sondern uns klarmachen will, dass wir es bereits - mit Verlaub - kollektiv verkackt haben.

Das bedeutet für den Musiker, in den Hades der elektronischen Klangerzeugung hinabzusteigen und beklemmend dystopische und surreale Klänge hervorzuholen, die zwischen EBM, Industrial und Techno so viel Stimmung aufbauen, dass es keiner Texte mehr bedarf, um zu verstehen, dass Blac Kolor Musik für die letzte Generation macht - und es geht nicht um die Umweltbewegung, sondern um die buchstäblich letzten Menschen, bevor die Erde auch diese von sich fortspülen oder sie austrocknen wird.

Grothe hat mit "Weltenbrand" so etwas wie eine Inventur unserer Fehlleistungen gemacht und sie musikalisch interpretiert. Sein Faible für einen grenzüberschreitenden, aber stets sinistren Electro-Sound bietet natürlich die perfekte Grundlage, um eine apokalyptische Grundstimmung zu erzeugen. Innerhalb seiner klanglichen Möglichkeiten nutzt er aber die ihm zur Verfügung gestellten Räume und traut sich auch, über den Tellerrand hinauszublicken.

So ist "Metanoia" ein geradezu discoider Song, der dank der stimmlichen Gastarbeit von Jennifer Touch von den intensiven Techno-Nummern à la Miss Kittin & The Hacker gar nicht weit entfernt ist. Die größte Überraschung findet sich aber nur eine Nummer später: "Sandmann" negiert sämtliche Erwartungen und kommt expressionistisch-theatral daher. Durch Ralf Donis, bekannt als Sänger von Love Is Colder Than Death und Think About Mutation, gerät dieser Song zu einer albtraumhaften Mär ganz im Stile der jungen Einstürzenden Neubauten.

Blac Kolor zeigt sich auf "Weltenbrand" äußerst vielschichtig. Die krassen stilistischen Wechsel werden vielleicht nicht Jedermanns Geschmack sein, und es ist sicherlich auch nicht immer einfach, dieser Experimentierlust zu folgen. Unbestritten ist jedoch, dass der Mann keine Komfortzone um sich herum aufbauen will, sondern immer nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten Ausschau hält, die er in das Blac-Kolor-Konzept einbinden kann. Manchmal findet er auf seiner Suche sogar fast vergessene Klänge, wie sie in "Gedankentrümmer" wiederzufinden sind. Die sprudeligen Sounds, die dumpfen Beats - das hat alles sehr viel Charme und lässt einen an die holprigen Anfangszeiten der synthetischen Musik denken.

Vielleicht ist der latente Retro-Charakter auch als ein leicht wehmütiger Blick zurück zu deuten. Zurück in eine Zeit, in der es zwar ähnlich gelagerte Probleme, aber auch eine Aufbruchsstimmung herrschte. Zurück in eine Zeit, in welcher der Glaube an die Menschheit und die Überwindung aller Grenzen hin zur Idee einer gemeinsamen Welt noch vorhanden war. Doch diese liegt im Feuer, die Asteroidenschweife am Himmel des Artworks von "Weltenbrand" zeigen es an. Am Anfang war Licht, am Ende ist Dunkelheit.