Sicherlich werden sich die Geister an "Songs Of Love And Sorrow" scheiden. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist Dr. Mark Benecke, seines Zeichens vielleicht Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe und Grufti aus Überzeugung, zwar eine dunkelschillernde Persönlichkeit, seine musikalischen und vor allem stimmlichen Fähigkeiten sind jedoch sehr überschaubar. Das hört man den Songs auf dieser EP deutlich an. Was aber auch nicht weiter schlimm ist, denn mit Bianca Stücker, ebenfalls eine Charismatikerin vor dem Herrn, steht eine versierte Komponistin, Schrifstellerin und Tätowiererin (um nur einige ihrer Professionen zu nennen) an seiner Seite. Sie verfügt sie über das nötige Rüstzeug und macht sich so zum Zentrum der Musik, während der Doktor sich mit flüsternd unheilvollen Sprachgesängen wie eine unheilvolle Stimme im Kopf anhört.

Die Songs sind, wie bereits bei den früheren Begegnungen der beiden Schwarzgeister, Fremdkompositionen, die mit einer Mischung aus grobkörniger Elektronik sowie mittelalterlichem Instrumentarium wie Nyckelharpa, Tagelharpa und Hackbrett szenekonform umgemodelt werden. Und das dürfte für die meisten den zweiten, massiven Kritikpunkt an dieser fünf Lieder kurzen EP darstellen. Nicht so sehr die Musik ist dabei das Problem - die ist sehr angenehm gestaltet. Vielmehr ist es ihre Auswahl an Songs, respektive eines besonderen Stückes: "Back To Black" von Amy Winehouse. "Sakrileg!", kann man die Kritiker schon von Weitem rufen hören. Und der Einwand ist berechtigt, da der Soul der damals auf die schiefe Bahn geratenen Musikerin so unvergleichlich und die Mark-Ronson-Produktion derart intensiv ausgefallen ist, dass eine Coverversion eigentlich nur scheitern kann. "Back To Black" ist nicht coverbar!

Stücker/Benecke müssen demnach auch an dieser Nummer scheitern. Aber das tun sie nicht, weil der Song derart ikonisch ist, sondern weil sie sich viel zu sehr an das Original gehalten haben und dadurch die Chance verpassten, eine neue Sichtweise auf das Stück zu eröffnen. Wie das funktionieren kann, machen sie gleich zu Anfang mit "Gloomy Sunday" vor. Dieser Song stammt aus den 1930ern vom Ungarn Laszló Jávor und ist vielleicht eine der ersten Gruftie-Songs überhaupt. Viele Legenden ranken sich um dieses "Lied der Selbstmörder" (Menschen sollen angeblich nach dem Hören dieses Stücks Suizid begangen haben). Der Song ist im Original eine melancholische Piano-Ballade und wird durch die beiden dunklen Paradiesvögel mit schmutzigen, bassbetonten Synthieklängen, dahinschleppendem Rhythmus und Hackbrett zu einem mystisch-todessehnsüchtigen Moritat umgefruchtet.

Wohingegen "I Am Stretched On Your Grave", ein aus dem 17. Jahrhundert stammendes Lied aus Irland, als Neubearbeitung eine Nummer Sicher darstellt. Die antiken Klänge sind natürlich passgenau für das Stück. Auch hier hätte man sich aber ein bisschen mehr Mut zur Dekonstruktion gewünscht. Wer das Stück kennt, wird keine Überraschungen erleben. Ebenfalls bezeichnend, dass bei den beiden Remixen, "Gloomy Sunday" wurde von Bishop, "Back To Black" von Form Follows Function nochmal abgemischt, mehr Reibungsfläche entsteht. Besonders Letztgenannte packen eine Schippe Elektronik oben drauf und machen daraus einen kompromisslosen Club-Track, der in seiner Radikalität wieder erfrischend ist.

Wie verfährt man also mit solch einem Kunstprodukt, das in seiner Idee sicherlich charmant ist, in der Ausführung aber nicht vollends überzeugt? Rezensionen beherbergen selten salomonische Urteile, aber "Songs Of Love And Sorrow" in Grund und Boden zu schreiben, würde der Arbeit der beiden nicht gerecht werden. Bleibt also nur der Wunsch nach mehr Zutrauen in ihre eigenen Fähigkeiten. Denn Coverversionen beherrschen Bianca Stücker & Mark Benecke, aber eine freiere Interpretation (vielleicht mit einem ungesungenen Vortrag Beneckes beispieslweise) würde den Stücken mehr Würze verleihen.