Fest steht: Beborn Beton gehören seit ihrem ersten Album "Tybalt" von vor dreißig Jahren zu jener Spezies Musiker, die man immer gerne als "Ausnahmeerscheinung" betitelt. Denn das Trio hat durch ihre besondere Herangehensweise den Synthie-Pop immer eine Spur eleganter und anspruchsvoller wirken lassen. Selbst erste Cluberfolge wie "Torture" sind gut gealtert, weil der Sound schon damals nicht einem Trend folgte, sondern ihn setzte. Zudem gehört Stefan Netschios Stimme zu den wenigen, die aus der Masse herausstechen und den Songs den Stempel aufdrücken.

So ungewöhnlich wie ihre Lieder ist auch Beborn Betons Werdegang. In den 1990ern haben sich die Jungs einen Namen gemacht und wurden weltweit gefeiert. Doch mit dem Jahrtausendwechsel und nach einer unglaublich hohen Schlagzahl an Veröffentlichungen folgte so etwas wie ein Burn-out. 13 Jahre lang haben Beborn Beton nichts mehr von sich hören lassen. Bis sie 2015 mit "A Worthy Compensation" wieder auf der Bildfläche auftauchten. Klar, die Sounds sind moderner, die Produktion dem Zeitgeist entsprechend, aber den alten Spirit haben sie erfreulicherweise nicht verloren. "A Worthy Compensation", zu deutsch: eine angemessen Entschädigung, spielte natürlich auf die lange Funkstille an, war aber auch wörtlich zu nehmen. Das Warten hatte sich nämlich wirklich gelohnt; das Album wurde von Anhänger und Presse gefeiert.

Und da die Fangemeinde im Ausharren ob neuer Musik also bereits geübt ist, hat es nochmal acht Jahre gebraucht, bis "Darkness Falls Again" das Licht der Welt erblickte. Es ist Teil von Beborn Betons neuer Philosophie, nicht wieder in das alte Muster zu verfallen und Songs am Fließband zu produzieren (wobei selbst diese immer einen hohen Anspruch besessen haben). Und wie heißt es im Volksmund so schön? Gut Ding will Weile haben.

Nun ist "Darkness Falls Again" aber nicht nur ein "gut Ding", sondern schlicht und ergreifend das Meisterstück des Dreiergespanns. Schon die Vorabsingle "Dancer In The Dark", dem sicherlich gefälligsten Stück auf der Scheibe, glänzt durch eine ohrwurmige Basslinie, die ohne Umwege vom Gehör ins Gebein fährt. Ja, Beborn Beton fordern zum Tanz auf, mehrmals sogar. "Burning Gasoline", "Electricity" und "I Watch My Life On TV" sind allesamt der Abteilung Attacke zuzuschreiben und nehmen, wie man so schön sagt, keine Gefangene. Aber den Essenern ging es nie um Gefälligkeit. Ihre Texte sind gesellschaftskritisch und wütend. An Inspiration mangelte es die letzten Jahre nicht. In Schlagwörtern zusammengefasst, was seit 2015, als ihr Vorgäger erschien, passiert ist: Trump, Klima-Krise, Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg. Just to name a few. Genügend Futter also, um die Songs mit mahnenden Worten auszuschmücken.

Nicht umsonst haben sie ihr Album "Darkness Falls Again" getauft, basierend auf einer Zeile aus der Vorabauskopplung. Der Asteroid, der auf dem Albumcover zu sehen ist, vermittelt die apokalyptische Stimmung, die nur durch die anheimelnden Pop-Melodien abgefedert werden. Letzten Endes führt das Trio uns aber nur vor Augen, in welchem Stadium die Menschheit sich befindet: auf einem selbstbesoffenen Tanz nur wenige Milimeter am Abgrund. Das Sprachsample in "Burning Gasoline" bringt es auf den Punkt: "God is dead, we have taken his place" - der Mensch wird zu seinem eigenen Schöpfer, aber scheitert an der Verantwortung, der er durch seine Intelligenz verpflichtet ist.

Aber Beborn Beton können auch kuschelig. Das kontemplative Moment manifestiert sich in "Trockenfallen lassen". Der einzige deutschsprachige Song auf der Platte ist auf allen Ebenen an- wie berührend und darf als legitimer Nachfolger ihres ebenfalls inkommensurablen Stücks "Eisplanet" von 1997 gesehen werden. Der metaphorisch gehaltene Text lässt dabei viel Interpretationsspielraum und schafft es, einen ohne Grund traurig werden zu lassen.

Wieder ist Beborn Beton das Kunststück gelungen, den Geist früher Kompositionen beizubehalten und gleichzeitig frisch und innovativ zu klingen. In "Darkness Falls Again" kulminiert Beborn Betons gesamtes kompositorisches Wissen und lyrisches Talent. Sie sind und bleiben eben eine "Ausnahmeerscheinung", "Darkness Falls Again" ist jetzt schon heißer Anwärter auf die Platte des Jahres.