Ist das noch Entspannung oder ist das schon Langeweile?

Es gibt so einige Musikgenres, deren Musiker und Fans sich gefallen lassen müssen, wenn Außenstehende beim Genuss monotone Langeweile erfahren und die Musik und deren Qualitäten in Frage stellen. Eigentlich gibt es in fast jedem Genre Subgenres, denen das Merkmal Gleichförmigkeit und Unaufgeregtheit so sehr innewohnt, dass Fans ihre Zuneigung nur „mit diesem besonderen Gefühl“ beschreiben können, dass sie erfahren, wenn sie ihr Genre genießen. Oder mit den Texten. Shoegaze und Ambient zum Beispiel sind Genres, bei denen nicht wenige die Wirksamkeit als Sedativa erkennen, nicht aber die positiven Aspekte. Carline Van Roos zelebriert mit ihrem Projekt Aythis einen Sound, der so wahnsinnig nett ist, dass wahrscheinlich nur jeder Hörer für sich entscheiden muss, ob er die Musik nun wunderschön oder wunderschnarch findet.

Die junge Frau aus den Niederlanden hat auf ihrem fünften Album alle Kompositionen, alle Instrumente und Vocals selbst übernommen und kann in jedem Fall stolz sein: ‚Secrets from below‘ klingt wirklich gut, professionell, angenehm gespielt und ihr Gesang sitzt. Ich bin mir auch sicher, dass Aythis ein klares Ziel verfolgt und dass das Album genau so werden sollte. Und natürlich werden sich jede Menge Leute erfreuen an der (und an dieser Stelle gehe ich über zu meiner Haltung) harmlos seichten Schmusemucke, die da fluffig aus den Boxen plätschert. Vorliegendes Album ist so dermaßen verträumt und nett, dass ich, wie bei Träumen üblich, an deren Ende nicht mehr greifen kann, was zuvor geschah. Die Musik perlt an mir ab und erzeugt den Wunsch, dass irgendwas passiert. Denn alle präsentierten Stücke von Aythis klingen für mich so dermaßen gleichförmig (damit habe ich als Freund von Neo Folk, Black Metal, Dungeon Synth keinerlei Probleme) und kantenlos lieb, dass ich nicht wüsste, wann ich das Album hören sollte. Beim bewussten Hören nicke ich weg. Läuft es neben der Hausarbeit nicke ich weg. Läuft es in romantischen Momenten nicken wir weg. Und bin ich traurig, melancholisch oder sehnsüchtig, dann gibt mir der Genuss von Aythis zumindest die Energie, etwas anderes einzulegen. Carline Van Roos ist wirklich keine schlechte Musikerin und ihr Gesang ist stimmig, aber alles seiert so vor sich hin und selbst wenn sich mal eine Melodie in den süßen Brei verirrt, von der ich gerne mehr hätte, dann ist sie so kantenlos umgesetzt, dass ich sie mir von einer anderen Band gespielt wünsche – schön zu sehen beim abschließenden Track: „Falling“ ist der Titeltrack der Lynch Serie Twin Peaks und sicherlich einigen noch im Ohr. Aber Aythis verblasst gegen das akustische Original und ich erinnere zum Beispiel mit einer Version von Locas in Love eine so viel bessere als die hier vorliegende. Auch hier kein Blumentopf von mir.

Es gibt sicherlich eine Zielgruppe und die werden mich empört mit Wattebäuschen bewerfen wollen, bis ich blute. Aber Aythis kommen in meinen Ohren nicht über das Qualitätsmerkmal Entspannungsberieselung hinaus.

 

Aythis

Secrets from below

 

02.04.2021

Eigenproduktion

 

https://aythis.bandcamp.com/album/secrets-from-below-3

 

01. Just like a tear

02. Into the blue

03.Faint butterfly

04. Ashes

05. Secrets

06.When your ghost wanders

07. The light that turned into crystals

08. Homelights

09.Facing the shadow

10. Falling (Twin Peaks Theme Cover)