+++Achtung Buchrezension+++ ;-) Anton Corbijn generell vorzustellen wäre nach mehr als dreißig Jahren prägendem Output etwas seltsam. Zu viele Plattencover, Videos und Press-Fotos tragen seine deutliche Handschrift: unprätentiöse, den Menschen hinter dem Star hervorhebende Bildberichte, die Geschichten erzählen. Nicht immer schmeichelhaft für den Fotografierten, dafür authentisch und darauf angelegt, möglichst viel vom Charakter und dem augenblicklichen Wohlbefinden des Partners vor der Linse zu transportieren. Corbijn hat in den letzten Jahres von außen betrachtet einen Wandel seines Schaffens vollzogen. Die offizielle Website wurde so gut wie nicht mehr geupdated, der Fokus lag deutlich auf seinen beiden Full-Feature Filmen ‚Control’ und ‚The American’ mit George Clooney und auch die unverkennbaren Plattencover mit grobkörnigen, oft sehr farbintensiven Momentaufnahmen wurden gefühlt weniger. Dass das originäre Fotogeschäft weiterging, konnte man jedoch glücklicherweise nachvollziehen, wenn man auf eine der kleinen, aber feinen Ausstellungen aufmerksam wurde, wie sie bspw. am Anfang des Jahres in der Galerie Anita Beckers in Frankfurt oder erst kürzlich im Schirmer und Mosel Showroom in München weiterhin großformatige Schaffensberichte der lezten Jahre dem Publikum zugänglich machten. Nun ist seit längerer Zeit wieder einmal ein Bildband erschienen, der Portraits aus den letzten Jahren einem breiteren Publikum präsentiert: ‚Inwards and Onwards’. Sechsunddreißig schwarz-weiß gehaltene Tafeln zeigen fast ausschließlich Bilder, die Corbijn im neuen Jahrtausend gemacht hat. Dabei liegt der Fokus nicht wie oft bei den älteren Bildbänden im Musik- und Promikontext, vielmehr beschäftigt sich Corbijn mit seinen geschätzten Freunden aus dem Bereich der bildenden Künste. Man sieht wohl eines der letzten offiziellen Fotos von Bernd Becher zusammen mit seiner Frau Hilla vor einer gemauerten Steinwand, die Teil des eigenen Werkes des Künstlerpaars hätte sein können oder einen energiegeladenen Lucian Freud, der sich mit erhobener Faust von der Foto-Session mit Corbijn sichtlich unbeeindruckt zeigt und sich mit Pinseln in der Hand auf seine Arbeit zu konzentrieren scheint. Damian Hirst wiederum genießt es offensichtlich mit schwarz geschminkten Augen und Nase ganz bewusst den Boogie-Man der Neuzeit zu geben. Natürlich finden sich auch die Großen der Musikbranche wieder: Jagger, Cash und Springsteen arbeiteten nach wie vor mit Corbijn zusammen und scheuen auch jetzt nicht davor mit Frauen-Perücke zu posieren oder eigentlich komplett im gleissenden Gegenlicht zu verschwinden. Viele neue Kollaborationen finden sich in diesem Sektor nicht, lediglich ‚The Arcade Fire’ haben es als ‚aktueller’ Musicact in das Universum des holländischen Starfotografen geschafft. Sehr direkte Portraits wie Anthony Kiedis mit Schnorchelgear wechseln sich ab mit Bildern in denen Künstler mehr Inventar für das Gesamtgefüge zu sein scheinen, wie bspw. ein nackt kriechender Iggy Pop im New Yorker Central Park. Gerhard Richter bekommt gleich zwei Seiten im Bildband und das Titelfoto auf dem Cover-Einband. Sein Gesicht sieht man jedoch auf allen drei Bilden nicht, stattdessen zum einen seine sauber kurz getrimmten grauen Haare zum anderen seine Silhouette auf einem billigen Schreibtischstuhl vor einem Kunstwerk in Köln. Corbijn entscheidet ganz offensichtlich noch immer selbst, welche Bilder ihm wichtig sind und wie er diese in seinen Büchern anordnet. Ein wenig größer hätte ich mir das Buch gewünscht, denn im 9“ Format geht evtl. das ein oder andere Detail unter, andererseits hat man damit einen Bildband, den man auch gerne mal aus dem Regal nimmt und gemütlich, handlich auf dem Sofa durchblättert. Für die Großformate sind eben die Ausstellungen da, die sicherlich von Ausdruck und Aussage noch einmal ganz anders wirken. Mit dreißig Euro liegt der Bildband im Rahmen des Machbaren und ist damit eine willkommene Ergänzung im Bücherregal der ‚Follower’. PS.: Depeche Mode Fans gehen diesmal leer aus, aber dafuer gabs ja in der SutU-Box gleich ein ganzes Corbijn Buch….