Experimentierfreudige Künstler gibt es viele. Die einen sind mehr, die anderen weniger erfolgreich. Je nach Ausgefallenheit und Extravaganz finden eben nur wenige den Weg nach oben. Kein Wunder also, dass die wenigen auch noch miteinander verglichen werden. So muss sich Anja Garbarek immer wieder den Vergleich mit einer bekannten isländischen Sängerin gefallen lassen, obwohl beide außer ihrer Vorliebe für eigenwillige Arrangements nichts gemein haben. Die Norwegerin Garbarek, die zwischendurch einige Zeit in London lebte und nach der Geburt ihres Kindes wieder in nordische Gefilde zog, veröffentlicht dieser Tage ihr mittlerweile viertes Album namens "Briefly Shaking". Ihr letztes Album "Smiling & Waving" liegt nun schon einige Jahre zurück und glänzte mit Gastauftritten von Robert Wyatt und Mark Hollis (Talk Talk). Bei der neuen Platte haben ihr Gisli Kristjansson und ihr Vater, der berühmte Jazz-Saxophonist Jan Garbarek, geholfen. "Briefly Shaking" geht etwas verschrobener und lauter zur Sache. Kein Wunder, nennt doch Frau Garbarek als Inspirationsquellen Krimis und Horrorliteratur. Da sie beim Komponieren Songs immer zuerst die Texte schreibt, könnte man anhand der genannten Einflüsse erst einmal vermuten, dass "Briefly Shaking" ein düsteres Machwerk geworden ist. Aber weit gefehlt, zumindest musikalisch, denn es ist ein Album entstanden, das einen vordergründig mit verschiedensten Stilen umschmeichelt, während in den Texten die tiefen Abgründe warten. "Sleep" beschreibt beispielsweise wie es ist, vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten zu sein und basiert auf den wahren Erlebnissen einer Frau, die in einen Bunker gesperrt wurde. Für Anja Garbarek ergeben sich hier Parallelen zu ihrem eigenen Leben, denn die Geburt ihres Kindes kam ihr anfänglich wie das Einkerkern ihrer Kreativität vor. Dazu singt sie mit leicht dumpf verzerrter Stimme, die erst im melancholischen Refrain klarer wird. In "The Last Trick" wird es noch drastischer, denn in ihm besingt sie den allerletzten Song. Inspiriert durch ein Buch über den Serienmörder Dennis Nielsen entstand das zuckersüße "Can I Keep Him", dessen düsterer Text offen lässt, wer von beiden, Sängerin oder Mann, nun der Mörder ist. Die Musik auf "Briefly Shaking" bedient sich frech aller möglichen Genres, von Trip Hop, Pop über Rock bis hin zu Jazz ist alles dabei. Doch diese Stile werden nicht fein ordentlich pro Song verwendet, sondern querbeet und auch noch so, dass die plötzlichen Stilwechsel wirklich überraschend aufeinander folgen. Schon die ersten beiden Songs "Born That Way" und "Dizzy With Wonder" zeigen die musikalische Spannweite. Während ersterer im Stile eines 50er-Jahre Hollywood-Musicals dahinträllert, wirkt das nachfolgende "Dizzy With Wonder" mit den kurzen Gitarrenriffs geradezu trocken. Und wenn für Anja Garbareks Gesang auf diesem Album überhaupt ein Vergleich angestellt werden soll, dann passen eigentlich nur Beth Gibbons von Portishead und Alison Goldfrapp. Vor allem die Wechsel zwischen krachend und idyllisch heben die beschaulichen Momente auf dem Album hervor und genau die sind es auch, die dem Album dieses besondere Etwas verleihen. "Briefly Shaking" ist eine kleine Reise durch die bizarre Welt der Norwegerin, die anschaulicher, bunter und interessanter kaum sein könnte.