„Hey ho, Captain Jack! Hey ho, Captain Jack!... Left, right, left...” Wer erinnert sich nicht gerne an den in Deutschland stationierten G.I., der Mitte der 90er Jahre mit zu Eurodancebeats gebrüllten Fick-Parolen in den Media Control Charts reüssieren konnte und mittlerweile auf jeder besseren 90s Party zum Standardrepertoire eines jeden DJs gehört. Hat man sich beim And One-Album „Propeller“, das ein Drittel der Magnet-Trilogie ausmacht, bis zum 9. Song vorgearbeitet, huldigt Steve Naghavi auf ganz spezielle Weise dem verstorbenen Dance-Militaristen: „Spread your legs right to the core – you will be my fucking whore!“ Ist diese lyrische Offenbarung nun Grundtenor des EBM-Albums, welches „Propeller“ laut Pressemitteilung sein soll? Besorgte Mütter seien beruhigt – die kurzzeitige Rückkehr des paarungswilligen Captains markiert den Tiefpunkt der kompletten Trilogie und darf keinesfalls zum Anlass genommen werden, dem restlichen Liedgut die Aufmerksamkeit zu verweigern.
Denn was And One ansonsten zu bieten haben, spannt doch einen recht weiten Bogen, der von theatralisch anmutenden Dark-Pop-Hymnen bis waschechten EBM-Brettern reicht. Interessant, dass im Vorfeld viele Fans anmerkten, And One würden mit kompromissloser Electronic Body Music an ihre Stärken anknüpfen. Dabei hat die Band eigentlich nie wirklich EBM gemacht, sieht man mal von diversen EP-Dreingaben wie den Bonus CDs der „9.9.99“ oder „Frontfeuer“ (lag der limitierten Bodypop-Erstauflage bei) ab. Letztere EP beinhaltete auch den umstrittenen Clubhit „Steine sind Steine“, der unfreiwillig in Kreisen rechter Einfachdenker zum Szenehit avancierte, ohne dass dies Steve beabsichtigt hätte. Aber nicht umsonst ist dieses Lied der beliebteste And One-Track bei Spotify und Co., was die Sorge schürte, unter dem Deckmantel EBM weitere zweifelhafte politische Statements der Wahlberliner hören zu müssen. Doch dankenswerterweise konzentrierte sich das Quartett um Steve, Nico, Rick und Joke auf seine eigentlichen Qualitäten – tanzbare Electrosongs mit hohem Wiedererkennungswert zu komponieren. Ein solcher ist definitiv „Before I go“, auch „Zwei Tote“ hätte mit fetterer Produktion, bzw. vielschichtigerer Instrumentierung ein inoffizieller Nachfolger des Klassikers „Military Fashion Show“ werden können. Außerordentlich stark ist auch die NDW-Parodie „U-Boot Krieg in Ostberlin“ gelungen, wohingegen „Synchronising Bodies“ gekonnt an glorreiche „I.S.T“-Zeiten anknüpft.
Neue Wege werden mit dem fett produzierten „Alle Krieger“ beschritten. Moderne Hip Hop Beats mischen sich mit klassischen EBM-Strukturen und treibender Bassline, dazu der passend kernige Gesang – hitverdächtig. Deutlich simpler kommt dagegen „Männermusik“ daher, womöglich der einzig hundertprozentig konsequente EBM-Song der Platte. Die Lyrics legen allerdings die Vermutung nahe, Steve hätte analog zu „Up and Down“ auch hier den Satire-Button betätigt und mit schmissigen Zeilen wie „ziehen wir in den Stiefelkrieg, unsere Weiber brauchen Druckanstieg“, bzw. „wir feiern, wir reihern...“ eine Persiflage auf den ach so testosterongetränkten EBM erschaffen. Sehr erheiternd. Insgesamt gelingt es And One jedoch, traditionelle Elemente ihrer Musik mit neuen Ansätzen zu kombinieren, hier und dort auch bei aktueller und vergangener Chartsmusik zu klauen und auf diese Weise eine gut durchhörbare CD mit nur einem bösen Ausfall zu veröffentlichen. Das angekündigte EBM-Album ist es dennoch nicht geworden. Anspieltipps: „Before I go“ !!! „U-Boot Krieg in Ostberlin“ Skip-Tipp: „Up and Down“ Mit diesem Lied wird es im Geschlechterforschungsseminar der Universität ganz schnell einsam um einen herum: „Up and Down“ Mit diesem Lied gewinnt man Street-Credibility beim Farid Bang-Fanclub: „An alle Krieger“ Mit diesem Lied beweist man dem Lehrer, dass man weder von Politik, Geschichte noch Geographie eine Ahnung hat: „U-Boot Krieg in Ostberlin“ Mit diesem Lied hat man das perfekte Substitut für die ausgedienten Rasierklingen unter den Achseln: „Männermusik“ Bevor jetzt alle Leserinnen und Leser in den „Stiefelkrieg“ ziehen, folgen in den kommenden Tagen noch Rezensionen der Trilogie-Teile 2 und 3: „Achtung 80“ und „Magnet“. Der Propeller verdient sich zunächst seine gerechten 5 Punkte.