Vor seiner professionellen musikalischen Karriere sammelte der in Tokyo ansässige Ametsub in Auseinandersetzung mit computergenerierten Sounds und bildender Kunst vielseitige Erfahrungen mit dem Ansatz des Experimentierens. Zusammen mit seiner Ausbildung zum Klavierspielen dürfte das die Grundlage für seinen weiteren Werdegang gebildet haben. Stimuliert durch die Eindrücke, die er in Island erhalten hat, wo er 2008 auch einen Live-Auftritt in Reykjavik absolvierte, begann er die Arbeit an seinem zweiten Album, "The Nothings Of The North", welches letztes Jahr in Japan erschienen ist und nun über Mille Plateaux auch hierzulande vermarktet wird. Ametsub's Stil lässt sich grob als Kombination von Glitch- und Ambient-Elementen beschreiben. Der Ambient-Teil ergibt sich aus den harmonischen, relativ einfach gehaltenen Melodien, die primär von Piano oder eine Art Orgel-Sound getragen werden, z.B. werden in "Lichen With Piano" phasenweise nur 3 Akkorde in gewissem Abstand immer wieder hintereinander gespielt bzw. looped. Die geloopten Samples werden allgemein relativ häufig nochmal reversed, fragmentiert oder weitergehender Prozessierung unterworfen, reichern das eigentliche Instrumentenspiel weiter an und gestalten es abwechslungsreicher. Kein Anschlag läuft mehr normal aus sozusagen. Der meist etwas vertrackte Rhythmus baut sich in jedem Stück, mal schneller mal langsamer, aus verschiedenen, nicht immer verortbaren Glitch-Sounds auf. Das können bspw. zerhäckselte Stimmen, sauber sezierte Einzelteile aus den Klängen der Tasteninstrumente, oder nicht näher definierbare kurze Störgeräusche sein. Sie treten in relativ grosser Menge und Dichte auf und bilden so einen regelrechten Klangteppich, immer passiert etwas. Ausserdem treten die einzelnen Sounds nicht wirklich in den Vordergrund, auch der Bass ist meist sehr dumpf, weich und dezent, ob als Basskick oder Fläche. Besonders "hart" wird es dementsprechend nie und alles wirkt sehr ausgeglichen. Allerdings kann man noch unterschieden zwischen Tracks wie "Skyr", wo ein treibender Basskick (auf jeder Viertel) durchgezogen wird, und "Repeatedly", welches völlig ohne Kick auskommt (im Remix von Helios wird dem Ding ein Trip Hop-Beatwork verpasst). Die Stimmung des Albums ist zwar warm und freundlich, aber grösstenteils eher auf eine kontemplative, relaxte Weise. "Faint Dazzlings" ist wahrscheinlich das melancholischste Lied mit seinen Moll-Pianoakkorden und der überdurchschnittlichen Stille und Beherrschung durch flächige, kontinuierliche, dunkle Sounds. Das einzige Problem, dass ich gelegentlich mit diesem Album hatte, war das Gefühl, dass ein Lied zu Ende war, als ich dachte es geht gerade erst richtig los. Der Aufbau kann etwas langgestreckt erscheinen und evtl. entzieht er sich auch der eigenen Wahrnehmung aufgrund seiner Unscheinbarkeit. Das macht "The Nothings Of The North" einerseits zu einem hervorragenden Kopfhörer-Album, andererseits lässt es sich auch problemlos als Begleitmusik ertragen. Einladend ist es auf jeden Fall, denn dank der einfachen Melodieläufe und den, zwar teils experimentelleren, aber doch definierbaren, rhythmischen Arrangements auch nicht schwer gemacht. Durch das Zusammenspiel entwickelt sich bei mir ein Eindruck ständiger Bewegung, als ob man durch eine Stadt läuft und von allen Seiten die Klanglandschaft stückweise mitbekommt. Kein Wunder das Ryuichi Sakamoto es zum besten Album des letzten Jahres auserkoren hat. Das kompositorische Talent und die Liebe Liebe zum Detail dürfte jedem ersichtlich sein.