Digital Hardcore has gotta die! Für das von Alec Empire & seinen ATARI TEENAGE RIOT in Sandinista-Manier gegründete Label sowie dem daran angeschlossenen weitverzweigtem Künstlernetzwerk, angesiedelt zwischem dem legendären Gothic-Shop "Black Rose" & dem MTV UK Headquarter, bedeudete dies im Klartext: Destroy 13 Years Of Culture. Die Zeit war reif, nach der 2006er ATR-Retrospektive "1992-2000", mal richtig aufzuräumen & eine Neuauflage von ATR ist nach dem Verlust von Carl Crack & dem Zerwürfnis mit Hanin Elias eh undenkbar. Noch vorhandene Tonträger werden eingestampft, damit sie nicht eines Tages beim Drogisten um die Ecke unrühmlich auf dem Wühltisch enden... Jedoch hat dieser Kiss Of Death auch eine verheißungsvolle Seite, der Berlin-Motherfucker vom Casinoturm hat seinen Lebensmittelpunkt wieder zurück in die momentan intelektuell brachliegende Spree-Metropole verlegt. Hinter Kreuzberger Jugenstilfassaden bekommt nun die ortsansässige Producer-, Remixer- & Filmszene ein paar frische Sidekicks. Mit der Launch-Party am 15.06. steht nun auch das neue Label EAT YOUR HEART OUT offiziell für seine kompromisslosen Messages. Good old Camden Town bleibt hierbei weiterhin Office & Vertriebszentrum. Doch was bedeudet nun dieser Reboot seines Mentalbetriebsystems musikalisch für uns? Zuerst einmal - THE HELLISH VORTEX. So jedenfalls ist der neue Kreativ-Kosmos aus Studio, Produktionsfirma & Band benamt. Ja, richtig gelesen... Band! Neben Longtime-Noise-Muse Nic Endo (die im übrigen auch für dieses herrliche, an Anarcho-Glamour nur so strotzende, Cover-Artwork verantwortlich ist) beschwören nun der New Yorker David Fisher & der Londoner Zan Lyons mit Alec eine Art minimalistischen Wave-and-Clubbing-Sound der neben den obligatorischen Noise-Filtern auch noch einen Punch Punk-Verve beinhaltet. Ob das nun lecker oder erneut beunruhigend ist, das bleibt nochmal eine ganz andere Frage. Aber so sehr ein Teil des Publikums offenbar genervt vom Futurist war, so sehr kann ein nicht unerheblicher anderer Teil offenbar nicht genug bekommen. Auch nicht in Form von Retro-Futurismus. Zumal der Zeitpunkt dieser musikalischen Richtungsänderung durchaus günstig ist, die Chaos-Tage in Hannover haben inzwischen den Status eines friedlichen Sit-In's erreicht & der ebenfalls in die Jahre gekommene Techno-Zirkus hat sich ja von der Spree in Richtung Ruhr verzogen... Als Vorbote, des für August avisierten Longplayers "The Golden Foretaste Of Heaven", flirtet nun die 12" Vinyl-EP entspant funky-poing-poing mit perlenden analogen 80er-Synths & Breakbeats. Zwischen all den Yamaha Multi-Effektprozessoren & Klark Equalizern scheinen hier auch noch ein Moog & analoges Schlagwerk für ein ganz unverkrampftes wippen mit dem Fuß zu sorgen. Das ist schon wieder so surreal, dass man meint, Alec wolle demnächst eine Ferieninsel beschallen. Ganz so "schlimm" ist es dann doch nicht, hier & da blitzt ein geliebtes Knarzer dazwischen. Wie man den lässig nörgeligen Lyrics entnehmen kann, verarbeitet er, fast zeitgleich wie ein anderer prominenter Neu-Berliner, die psychischen Abgründe aus Trieb, Kitsch, Spießertum & Masochismus. Kurz gesagt, sein Liebesleid... Everything starts with a fuck. Gleiches Thema jedoch ohne Worte erwartet einen bei den 2 exklusiven Tracks im Anschluß. Doch keine Sorge, man wandelt hier nicht auf dem gleichen Pfade den die Beastie Boys just gehen... auch wenn "Burn, Berlin, Burn" vor 10 Jahren auf genau deren Label Grand Royal sich anschickte eine musikalische Revolution anzuzetteln. Die Dub-Version von ICE klingt herrlich durchgeknallt & energetisch nach Düsseldorfer Elektronik der 80er plus einer Prise Polyrhythmik aus der Tape Music. Die Album-Version trägt den Untertitel "as if she could steal a piece of my glamour" & bewog vor ein paar Tagen die Besucher des Kulturkosmos Fusion-Festival regelrecht zu Ovationen. Beim Melt-Festival hat man dann nochmal die Gelegenheit sich davon live zu überzeugen. Zu guter letzt noch NAGINITA, mein absolutes Lieblingsstück der Scheibe. Dankenswerterweise versuchen Empire & Endo hier nicht mehr, ultrahip zu sein. Ein furioses Drum-Gewitter verhäckselt gleichberechtigt neben wahnwitzigem Noise-Industrial die bis dahin aufgebaute Melancholie... & wer nun noch rätselt was das hier namensgebendes zweischneidige Stab-Schwert mit L.O.V.E. zu tun hat, dem sei noch kurz verklickert das dies die Waffe der japanischen Edelfrauen war... oder der Fragende hat wohl bisher nur wie ein Roboter Emotionen ausgetauscht. ;)