Ein immerwährender Wechsel zwischen Black Metal, Post Rock und Folk, die perfekte Vertonung von Natursehnsucht und -verliebtheit, die Suche nach Gott und die schwankenden Gefühlslagen, die diese Themen mit sich bringen – Agalloch haben in ihren regulären Alben und EP's immer wieder gezeigt, dass eine Band trotz wechselnder Härte und Stile im Kern sie selbst bleiben kann. Mit dem vorliegenden „Marrow of the spirit“ schlagen die Herren aus dem amerikanischen Portland nun eine Brücke zwischen dem letzten regulären Album „Ashes against the grain“ und der fast schon rohen Anfangszeit, die 1997 mit der EP „From which of this Oak“ begann. Das einleitende Cellostück ist dabei fast schon irreführend, Agalloch zeigen sich auf „Marrow of the spirit“ so roh und sperrig wie nie. Die folgenden 5 Stücke, die allesamt eine Spielzeit von mindestens zehn Minuten haben sind weit entfernt vom 2002er „The mantle“. Damals verbanden Agalloch Folk und Black Metall in meinen Ohren zu einem der gelungensten Tonträger des Genres. Doch bereits mit „Ashes against the grain“ kehrte man von diesem Pfad ab, Folkpassagen wichen eher psychedelischen Post Rock Gitarrensoli und Ambient-Parts. Der Folk und die klaren Vocals werden heute eher auf EP's untergebracht wie auf der genialen „White EP“, der Kern des Geistes (grobe Übersetzung des Titels "Marrow of the Spirit“) will etwas ganz anderes. Harte und epische Black Metal Attacken, der Fauchgesang derb wie nie zuvor, fast kein Cleangesang mehr und eine fast schon eingestaubte Akustikgitarre. Kann das überhaupt noch mit Agalloch in Verbindung gebracht werden? Natürlich erkennt man durch die typischen Fauchvocals und „den“ Agallochklang, dass dies Agalloch sind, aber... sind sie noch sie selbst? Die Antwort erfordert etwas mehr investierte Zeit. Denn durch die Länge der Stücke, den ungewohnt rohen Klang und die vielen getragenen ambientartigen Passagen lässt sich das Werk nur schwer erfassen. Man braucht Ruhe, Zeit und möglichst schlechtes Herbstwetter um „Marrow of the spirit“ schätzen zu lernen. Auf lange Sicht wird das Album sicherlich nicht mein Favorit werden. Dafür hatte ich „The mantle“ und seine ruhige und epische Stimmung zu lieb gewonnen. Für Freunde der härteren Gangart, denen „The mantle“ zu nett und „Ashes against the grain“ zu unausgereift waren ist „Marrow of the spirit“ aber sicherlich eine erfreuliche Angelegenheit. Agalloch gehen sowohl auf ihren CDs als auch auf den nicht minder wichtigen EPs einen spannenden Weg, ich begleite sie weiterhin gerne.