Nur ein Jahr nach seinem erfolgreichen Hardcopy-Debüt bei Tympanik liefert Rob Lioy bereits den Nachfolger ab. "void();" ist aus der Inspiration durch die Hacking-Kultur in all ihren Ausprägungen entstanden, d.h. professionelles Reverse Engineering, Phone Phreaks, die subversive Aneignung von Informationssystemen und natürlich die entsprechenden Darstellungen in Literatur, Film und Spiel. So muten auch die willkürlich gewählten Titel wie kryptische Auszüge einer Programmiersprache an (allein der Albumtitel sieht schon nach Java aus...). Zwar hat sich stilistisch nicht viel an seiner Musik geändert, seine Signatur-Sounds sind nachwievor präsent und er bleibt dem Glitch-Ambient verbunden, doch unterscheidet sich "void();" von "Oppidan" in Bezug auf technische Fertigkeit und vor allem in der Umsetzung. Wer die gratis auf seiner Website erhältliche EP "null" kennt, dem werden einige Tracks vertraut vorkommen. So ist bspw. das Album eröffnende Stück "*strtok()" eine Variante des auf der EP enthaltenen "strtok(lp, " \t\r\n");". Die neuen Varianten machen dabei einen wesentlich unruhigeren Eindruck als ihre Vorgänger und fügen sich damit nahtlos in das Gesamtkonzept ein. Lioy hat das Album bewusst frenetischer gestaltet, um den Prozess des Hackings adäquat akustisch zu repräsentieren. Das äussert sich in sehr hektischen Glitch-Passagen, in denen die Klicks und Bleeps in hohem Tempo um einen herumflirren. Assoziationen mit Motoko Kusanagi's Signaloutput beim Infiltrieren besonders aggressiver Militär-Firewalls oder dem Kampf gegen die Tastatur in einem Großraumbüro eines Softwareentwicklers sind da naheliegend. Zwar gibt es z.B. mit den beiden etwas kurzen "&sin" und "optlist:" stärker Ambient-orientierte Stücke, doch wird nur bei "bpf_u_int32" vollkommen auf Beats und Glitches verzichtet, womit es sozusagen in der Tradition der "A Sky Now Starless" EP von 2007 steht. Man wird hier mit weichen, vergleichweise hellen, wärmenden Pads umspült, was eine angenehme Abwechslung zur sonst relativ kühlen, düsteren Atmosphäre darstellt. Die Tonverläufe sind nachwievor überwiegend in Moll gehalten. Was mir auf "void();" besonders aufgefallen ist, ist die relativ häufige Dekonstruktion des Metrums. Der Rhythmus wird plötzlich verlangsamt, stockt, wird schneller u.ä., als ob Robocop die Batterie leergelaufen ist und er sich am Starkstromaggregat wieder auflädt...oder der Programmierer gerade einen Schluck Kaffe zu sich nimmt. Der Rhythmus verweilt somit ständig in einem relativ labilen Zustand. Zu den durchgehend begleitenden Flächen gesellen sich auch melodisch sehr einprägsame, klangvolle Synthlines, die mal wie ein dumpfes Glockenspiel klingen oder auch mal dem Klang eines Pianos entsprechen ("syslog_ident"). Gelegentlich werden sie auch rauer, knistern oder haken etwas, d.h. auch sie sind gegenüber der digitalen Dekonstruktion nicht immun. Beeindruckend sind vor allem die Momente, in denen die Klanglandschaft eine aufwühlende Erhabenheit erreicht, die ich so bisher nur von AtA her kenne und geradezu sakrale Qualitäten erreicht. Access To Arasaka hat schon mit "Oppidan" seine Fähigkeiten bewiesen, immersive Soundtracks zu komponieren, und mit "void();" verstärkt er den Eindruck noch mehr. Er erzwingt geradezu die Vorstellung von Szenarien in dunklen, futuristischen Stadtlandschaften mit weit fortgeschrittener Informationstechnologie und neuronalen Schnittstellen. Auf seinem Debüt-Album gab es noch ein paar Melodiebögen und Strukturen, mit denen ich mich nicht besonders anfreunden konnte, dass ist bei "void();" nicht mehr der Fall. Die rhythmische Vielfalt, oder eher Kuriosität, bewahrt das Hörvergnügen dauerhaft, und die mal melancholischen, mal etwas muntereren Synth-Flächen fangen einen immer wieder ein. Mit diesen sanften Harmonien bewahrt Lioy auch ein erforderliches Maß an Zugänglichkeit. Die Gratwanderung bzw. das effektive Ausnutzen des Kontrasts zwischen abstraktem Bitchaos und ruhigem Ambient ist ihm auch hier wieder gelungen. Lioy hat selbst die Befürchtung geäussert, dass er sich vielleicht nur auf dem bisherigem Schema ausruht und es bloss wiederholt, bis ihm keiner mehr zuhört. Die Gefahr sehe ich bisher nicht, eine Entwicklung ist durchaus hörbar, und das nächste Album wird vermutlich nicht lange auf sich warten lassen. Bis dahin gibt es noch die aktuelle "Orbitus" EP, diverse Remixes und Compilation-Beiträge (z.B. demnächst wieder bei Abstrakt Reflections) zu geniessen.