Frankfurt ist grau – aber manchmal bringt genau dieses unscheinbare Grau etwas Wunderschönes hervor. 'A Shrine To Failure' ist ein Duo aus eben dieser grauen Mainmetropole, das mit seinem selbstgewählten Scheitern einen klanggewordenen Abgesang auf die moderne Welt liefert. Ihr Name ist somit Programm: ein Schrein für das Scheitern. Und mit Undone, ihrem digitalen Langspiel-Debüt vom 13. Juni 2025, errichten sie ein melancholisches Monument dafür. Zwischen Synthpop, Darkwave und Post-Punk verorten sich die beiden mit einem Sound, der tief geht – und dort bleibt.
Wer genau hinter dem Projekt steckt, ist - mir zumindest - bislang nicht bekannt. A Shrine To Failure scheint noch sehr neu zu sein – es gibt weder Einträge auf Discogs noch Profile auf gängigen Plattformen. Auch auf Social Media: Funkstille. Nur ein Bandcamp-Profil, und dieses Album. Diese Anonymität wirkt jedoch nicht wie ein Mangel, sondern vielleicht sogar wie ein bewusster Teil der Ästhetik. Der Rückzug ins Klanghafte passt zur Haltung des Albums – keine Posen, kein Ego, nur Atmosphäre.
Ich habe Undone zum ersten Mal nachts über Bandcamp gehört, mit Kopfhörern, allein, in einem dieser Momente, in denen man eigentlich schlafen will, aber der Kopf zu laut ist. Genau da hat dieses Album funktioniert wie kaum ein anderes in letzter Zeit. Es war, als hätte jemand ein musikalisches Echo auf diesen Zustand gebaut: das Gefühl, dass alles irgendwie zu viel ist und gleichzeitig zu wenig. Schon das Intro zieht einen rein, und ab da lässt es einen nicht mehr los – nicht mit großen Gesten, sondern mit leisen, durchdachten Tönen.
Der Sound ist kühl, aber nie kalt. Minimal, aber nicht leer. Die Beats pulsieren wie ferne Signale eines untergehenden Satelliten. Synth-Flächen schmiegen sich an die Schatten der Songs, während zarte Melodien wie letzte Lichtreflexe durch Risse im Beton sickern. Die Stimmen – mal klar, mal leicht verzerrt – wirken zerbrechlich, fast körperlos, und genau deshalb so intensiv. Ich hatte beim Hören oft das Gefühl, nicht einem Album zu lauschen, sondern einem Zustand. Einer Stimmung. Einer Zeit, die stillsteht. Das ist schwer zu beschreiben, aber leicht zu fühlen – wenn man es zulässt.
Undone lebt von seiner emotionalen Kohärenz. Jeder der vierzehn Tracks – selbst das Intro und Outro – wirkt wie ein Teil eines zusammenhängenden Narrativs. Keine Singlehits, keine billigen Hooks. Stattdessen ein durchgehendes Flirren aus Verletzlichkeit und Dunkelheit. Besonders beeindruckend finde ich, wie subtil hier gearbeitet wird. Nichts drängt sich in den Vordergrund, aber alles zieht einen langsam hinein. Der Sound ist dystopisch, aber nicht zynisch. Eher resigniert, mit einem Hauch Hoffnung – als würde irgendwo im Hintergrund noch ein schwaches Licht glimmen.
Ich würde das Album nicht beim Kochen hören oder auf dem Weg zur Arbeit. Aber in ruhigen Momenten, wenn man bereit ist, sich auf etwas einzulassen, entfaltet Undone eine Tiefe, die mich persönlich berührt hat. Es erinnert mich daran, warum ich Musik liebe: weil sie Räume öffnen kann, in die Worte nicht vordringen.
Mein Fazit: A Shrine To Failure haben mit Undone ein Album geschaffen, das vielleicht gar nicht unterhalten will, sondern eher begleiten. Wer sich auf diese intensive, dunkle Reise einlässt, bekommt keine einfachen Antworten – aber das Gefühl, verstanden zu werden. Für mich ist das eines der stärksten Debüts im düsteren Wave-/Synth-Bereich der letzten Jahre. Nicht perfekt, aber menschlich, ehrlich und atmosphärisch dicht wie ein Novemberabend in der U-Bahn. Für alle, die sich trauen, im Scheitern etwas Schönes zu sehen.
A Shrine To Failure – Undone

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