1476 haben einen Stein im Brett bei mir. Ich weiß nicht ganz genau, was es ist, denn sie sind den Prophecy Labelkollegen von Crone nicht unähnlich, gerade was den (rein subjektiv empfundenen) wenig schmeichelhaften, uneindrucksvollen Gesang betrifft. Aber ihre Kompositionen wirken so mitreißend, lebendig und kraftvoll, dass sie mich aus meiner Komfortzone herauslocken können, um zu begeistern.

So zumindest der Fall im Jahre 2017, als ‚Our season draws near‘ in meinen Boxen dröhnte und insbesondere „Odessa“ und „Solitude (interior)“ noch lange hängenblieben und mich bis heute zum Lauschen einladen. Das vorliegende vierte Album ‚In Exile‘ schafft es nun, mir als Gesamtwerk schlüssiger  und stärker zu gefallen, wenngleich die Knaller ausbleiben und auch nach zig Durchläufen kann ich nicht abschließend sagen, ob ich dass nun bedauere. Wieder schaffe ich es schnell, über den Gesang hinwegzuhören – nein, ich finde ihn auch auf diesem Werk eher wenig ansprechend, dieses halb geschriene laute Rufen, das eher zu anderen, thrashigeren Stilen passen mag und bestimmt total authentisch und natürlich klingen will… es ist nicht meins. Aber während ich mich bei anderen Alben kaum auf etwas anderes konzentrieren kann, wenn mir der Gesang nicht passt, so ist es bei 1476 eher so, dass mich die Musik so sehr hinwegzaubert, dass ich nur bei bewusstem Hören den Gesang wirklich wahrnehme und dann schnell wieder weghöre. Die Band spielt irgendwo zwischen klassischem Hard Rock, Folk Rock, Prog und Metal, wirkt etwas aus der Zeit gefallen und trotzdem zu keinem Zeitpunkt antiquiert. Vielleicht ist das so, wenn man aus Salem in Neuengland stammt – bei meinem Besuch in dieser be- und verzauberten Stadt empfand ich dieses Wechselspiel aus Moderne und Rückwärtsgewandheit durchaus bemerkenswert.

Nein, ich bin der Überzeugung, dass das Duo sich richtig entschieden haben und ‚In exile‘ eher als Gesamtkunstwerk wirken kann. Fehlende Höhepunkte sollen nicht vermuten lassen, dass man nicht ganz oben schweben kann und als Reinhörtipp weiß ich mir nicht besser zu helfen als zu schreiben: Hör die die ganze Scheibe an, lass sie einmal durchlaufen, lass sie wirken. 1476 schaffen eine Leichtigkeit in mir, die Menschen in meinem Umfeld eher bei radiotauglichem gute-Laune-Sound empfinden. Natürlich sind sie melancholisch, sonst würde ich sie nicht mögen. Und auch ihr Spiel mit der Härte (besonders gelungen in „When comes the dawn“) reizt mich. Doch zurück bleibt bei all den Emotionen und Stimmungen, die sich in der Stunde traumhaften Rocks verstecken ein positives Gesamtgefühl.

Hinter einem Cover, das vielleicht nicht jedem gefällt, das aber in meinen Augen die Stimmung des Albums sehr gut einfängt, erwartet den Hörer echter Genuss, mühevoll komponiert und rauh und spröde umgesetzt – ich kann mir sehr gut vorstellen, zu diesen Stücken Neuengland zu bereisen, es gelingt dem Album aber auch, hier im Norden Deutschlands zu wirken. Ja, gerne und sehr gerne auch Live. Ein größeres Lob vermag ich einem Album kaum zu machen, das mir eigentlich nicht gefallen sollte.


1476 – In Exile

07.07.2023 / Prophecy Productions


https://1476.bandcamp.com/album/in-exile


01. Lost in exile
02. Lapis fire: Through the mist
03. Tristesse in exile
04. Jade fire: A paragon
05. When comes the dawn?
06. May mountains never fall
07. Where kings fall
08. A queen in exile
09. Beyond the meadows, beyond the moors
10. Carnelian fire: The gallows
11. Where are you?