Was andere in mehr oder minder intensiver Form für ihre Musik nutzen, ist für Denise Ritter und ihr Projekt Schachtanlage Gegenort alleiniges Mittel der Wahl: Feldaufnahmen. Mit ihren bisher veröffentlichten Alben hat sie bereits eindrucksvoll gezeigt, was man mit Stimmen und Geräuschen alles kreieren kann. Die studierte Klangkünstlerin, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Elektroakustische Musik e.V. und Gewinnerin des Deutschen Klangkunstpreises (2010) ist diesmal in Kohleminen und Stahlwerken im Saarland, in Lothringen und in Luxemburg unterwegs gewesen. Die dort entstandenen Aufnahmen hat sie auf ihrem neuen Album "Aufgelassen" zu teils beeindruckenden Klangwelten zusammengefügt.

Die neu entstandenen Klangbilder symbolisieren Maschinen, Menschen und Orte. Das geschieht einerseits durch den direkten Einsatz von Samples, etwa von Stimmen von Stahlarbeitern, andererseits durch geschicktes Zusammenfügen verschiedener Sounds, die der Hörer aufgrund der Unkenntnis der Quelle nicht auseinanderhalten kann. Ein Track wie "Schachtwasser" lebt von grummelnden Tönen mit dumpfen Wassergeplätscher. Im Track "Grubenbahn" ist genau das zu hören, was der Titel verspricht: Eine Bahn, die wie ein Traktor klingt. Schwer einzuschätzen, was in diesem Track mit seinen über fünf Minuten Spielzeit reine Aufnahme und was Modulation ist. In anderen Tracks wie beispielsweise bei "Dillinger" findet sich ein Konglomerat an Klängen und Geräuschen, die in dieser Form so aufgenommen, aber auch einzeln zusammengefügt sein könnten.

Das ist das eigentlich reizvolle an diesem Album. Erst einmal lauschen und staunen, welche Töne aus den Boxen dringen und im gleichen Atemzug rätseln, was so geklungen haben könnte. Viele der Tracks bezeichnen anscheinend den Ort der zu hörenden Aufnahmen. Was man dann aber zu hören bekommt, ist oft nicht eindeutig zu identifizieren. Etwas aus diesem Konzept heraus sticht der letzte Track "Site Kazebierg", der einen Ausruf mit darauf folgendem metallischen Schlagen mehrfach abwandelt und diese Variationen erneut miteinander kombiniert.

Mit Musik im herkömmlichen Sinne hat "Aufgelassen" freilich nichts zu tun. Trotzdem oder gerade deshalb könnte man das Album als Industrial bezeichnen. Aber es ist eher eine Dekonstruktion der Wirklichkeit und eine damit einhergehender Gestaltung einer seltsamen Parallelwelt, die düster, mechanisch und geheimnisvoll klingt. Ein ungewöhnliches Album für das etwas andere Publikum.