Mit Mandelbrot begibt sich das Label Audiophob nun "Auf Tauchfahrt". Dabei handelt es sich natürlich nicht um eine Beilage für das Picknick unter Wasser sondern um einen Fraktal-Begriff aus der Chaostheorie. Wie auch das mathematische Chaos vom Laien oft missverstanden und als zusammenhangsloses Etwas interpretiert wird, so kann auch genau dieser Umstand für mehr oder weniger experimentelle Musik im Dark-Ambient-Bereich als zutreffend angesehen werden. Die fraktalen Konzepte wie Selbstähnlichkeit und hohe innere Ordnung spiegeln sich auch bei "Auf Tauchfahrt" wider. Ausgearbeitet wurde dieser Trip von Barbara Teichner (The Rorschach Garden) und Philipp Münch.

Er gründete 1994 nicht nur Mandelbrot sondern zeichnet sich u.a. auch für die Projekte The Rorschach Garden und Synapscape verantwortlich. Wie im getragen (Dark-)Ambient- und Experimental-Bereich oft anzutreffen, spielt die (Album-)Titel-Namensgebung für die Assoziationen mit der darauf befindlichen Musik eine wichtige Rolle zum individuellen Zugang. Zudem sollte man auch, und gerade wegen gewisser Längen, den Nerv behalten um der Monotonie nicht mit Skippen der Titel nachzugeben. Hier folgt nun meine Zusammenfassung des Gehörten: Die Reise startet im "Golfstrom" - sehr ruhig und getragen aber so gesehen doch relativ zügig, wenn man sich den tiefen, flächigen Bass als kleinen und geschwinden Propeller vorstellt. Allzu aufregend verläuft die Fahrt bisher nicht, dafür aber sehr entspannt. Plötzlich taucht "Trieste" auf, vermutlich aber nur im Traum eines der Passagiere oder der Crew, denn die Stadt (falls sie damit gemeint ist) erscheint nur verschwommen, zudem bei einer Nacht mit Neumond und ohne Einwohner erlebt - also quasi leer.

Durch den anschließenden "Tangwald" gleitet das Boot sehr elegant, ohne großartige Berührungen mit dem Tang zu erleiden. Das anschließend durchfahrene schwarze Wasser "L'Eau Noir" scheint nicht gerade auf der Wasserroute zu liegen, denn es klappert doch ziemlich arg untypisch für unsere Definition des Wasserbegriffs, der immer für eine gewisse Unterwasserruhe sorgt. Hier trifft der Begriff des Dark-Ambient allerdings am besten zu. Vorbei an den "Unterwasserschwefelquellen" bekommt man die Vorstellung, dieses Zeug könnte unter Umständen auch aus irgendwelchen uralten Leitungen ins Meer rauschen und damit die Umgebung vergiften. Die Raubkatzen der Krabben - die "Gespensterkrabben", welche wirklich existieren - kann man sich sehr gut als Resultat dieser Quellenumgebung ausmalen - zumindest namentlich. Ein Hin- und Herhuschen ist auf jeden Fall zu erkennen. "Tauchfahrt" greift nochmals die Ruhe von "Golfstrom" auf und vertieft sie. Vielleicht hätte man den Titel auch in Verbindung mit "Golfstrom" zum Hauptthema machen können. Die "Little Pleasures" bereiten garantiert den Industrial-Experimental-Passagieren Vergnügen und lassen leider gar keinen richtigen Zusammenhang zu der bisherigen Tauchfahrt erkennen. Man hört aber, dass das Boot noch in Bewegung ist. "Farewell" lässt den Eindruck erwecken, dass das Boot in irgendeinem alten russischen Dock bei Vollmond heimlich an Land gezogen wird und die weitere Geschichte erst im zweiten Teil erzählt wird.

Vom Sound her bietet "Auf Tauchfahrt" keine Neuerungen, da er manchmal sogar fast steril und eckig klingt und damit die Interpretation etwas schwierig gestaltet. Auch das Konzept ist nicht unbedingt neu - muss es aber auch nicht. Denn warum soll ein Musikmacher für seine Ideen auf andere Projekte verweisen, wenn er selbst seine ganz eigene Vorstellung davon hat? Wenn Mandelbrot allerdings die Fahrt mit diesem Klängen eher in die Weiten des Weltraums verlegt hätte - natürlich mit Titel- und Arrangementänderungen - wäre der Soundtrack zum nicht vorhandenen Film eine Spur weit näher gewesen, denn eine typische Fahrt durch unsere Gewässer ist es auf jeden Fall nicht.