Für die 100ste Review habe ich mir ein Schmankerl aufgehoben, das ich seit zehn Jahren unbeirrt „meine Lieblings-CD“ nenne. Summoning selbst dürften inzwischen den meisten zumindest dem Namen nach etwas sagen – über die Jahre hinweg wuchs die Fanschar an und mit ihrem sechsten und bisher letzten Album „Oath Bound“ schafften es die beiden Österreicher Silenuis (Michael Gregor) und Protector (Richard Lederer) 2006, verteufelt gute Bewertungen in allerlei Magazinen zu erhaschen und sogar Platte des Monat in einer bekannteren Grufti-Zeitschrift zu werden.

Von Album zu Album entwickelten sie sich stilistisch minimal (Warum auch, sind sie doch einzigartig und eigentlich schon lange perfekt!), produktionstechnisch aber um Meilen und wenn ich heute jemanden mit Summoning anfixen möchte, so ist „Oath Bound“ wohl die beste Wahl. 1993 begann die Geschichte des Projektes, damals trafen sich drei Herren in einer Kneipe in Wien und riefen Summoning ins Leben. Das erste Album „Lugburz“ war noch recht einfach gestrickter Black Metal mit holpernden Drums (durch das dritte Mitglied Trifixion eingetrommelt) aber das änderte sich schnell: Durch den Austrieg von Trifixion und die Liebeserklärung an Keyboards, Synthesizer und Drumcomputer klang bereits das Zweitwerk „Minas Morgul“ ganz anders als das, was man bisher in Metalkreisen gewohnt war. Schrille Gitarren und Kreischgesang – das war bisher dem Blackmetal vorbehalten. Aber die Musik von Summoning wird großteils durch synthetische Instrumente erschaffen – kein Rondo Veneziano Geklimper, wie in Blind Guardian Kreisen, oder unterstützendes Beiwerk, das Keyboard wurde zum elementarsten Teil dieser Metalspielart und die Kompositionen waren auf epischen Bombast getrimmt.

Des weiteren entfernten sich Summoning bereits seit dem ersten Album auf eine andere Weise vom regulären Black Metal: Die Lyriks bestehen seit jeher aus zusammengesetzten Fragmenten der Mittelerden-Werke von J.R.R Tolkien und lassen Satanismus, Paganismus oder Waldwanderbeschreibungen ganz weg. Traurig ist dabei zu vermelden, daß Summoning gerade durch diese eingeschlagene Marschroute in den ersten Jahren sehr viele und zum Teil heftige Anfeindungen erfuhren: Die zweite Welle des Blackmetal schwappte zu dieser Zeit über Europa, in Norwegen lief der Count mit einer Fackel umher und satanistische Pandabären bestimmten, was true ist und was nicht. Wenn man sich „Minas Morgul“ anhört und spätere Alben bereits kennt wird man schnell feststellen, daß Summoning ihren Stil gerade erst entwickelt hatten: Die Vocals, die zu gleichen Teilen von Silenius und Protector eingeschrien wurden, sind sehr undeutlich und erinnern noch sehr an Silenius' Leistungen bei Abigor (Die ersten drei Alben der Österreicher wurden von ihm eingekeift). Der Drumcomputerklang ist noch sehr nahe an der kraftwerk'schen Boom-Tschak-Variante und versucht oft, wie ein reguläres Blackmetal-Schlagzeug zu klingen (vor allem in den „Double-Bass“Parts). Am meisten fällt dem Hörer aber auf, daß die Qualität der verwendeten Keyboards einfach auf einem sehr niedrigen Niveau ist.

Während später der mitreißende Bombast regiert quietscht und quäkt es auf der „Minas Morgul“ noch herzzerreißend – damals fehlte den beiden einfach noch das nötige Geld für ein optimales Equipment (und so kann man von Release zu Release mitverfolgen, was sich die Band neues geleistet hat und wie der Sound-Pool mit den Jahren anwächst). Bestes Beispiel hierfür ist „The passing of the grey company“: ein hervorragendes Stück Musik, genial in der Komposition, aber wenn ich es Freunden vorspiele schütteln sie anfangs nur mit dem Kopf wegen dem Sound der Trompeten(?) und fragen, ob das wieder einer meiner SuperNintendo Soundtracks ist. Kommt man aber über den Sound hinweg und konzentriert sich auf die Musik, dann erkennt man recht schnell, daß „Minas Morgul“ ein zeitloses Meisterwerk ist. Wenn ich ehrlich bin: jedes einzelne Stück bis auf des Intro (das einzig durchschnittliche an der CD) ist sehr gut und würde ein Glanzlicht auf regulären Alben anderer Bands sein. Dabei ist der Songaufbau bereits typisch Summoning, die Kompositionen sind episch, eher langsam und die zum Teil sehr langen Lieder leben von einer langsamen Spannungssteigerung und der Wiederholung der starken Themen (In dieser Wiederholung zeigen sich dann wieder die Parallelen zum typischen Blackmetal). Drei Lieder will ich aber besonders hervorheben: „Morthond“ schafft es wie kaum ein anderes Lied, eine abwärtsführende Verzweiflungsspirale im Kopf des Hörers aufzubauen – das Lied besteht eigentlich aus drei Teilen. Zunächst sind nur Streicher und resignierter Kreischgesang zu hören, dann folgt ein langsamer Abschnitt mit E-Gitarren- und Drumeinsatz, der von einem Heul-Kreischer begleitet wird und schließlich verfällt der Song in einen Double-Bass-Part mit völlig hysterischen Vocals. Und gerade durch die konsequente Wiederholung geschieht das, was auch bei realen negativen Phasen passiert – man ist resigniert, dann wütend, dann verzweifelt und schließlich wieder resigniert.

„Dagor Bragollach“ will ich aus zwei Gründen lobend erwähnen: Zum einen ist die Melodie eine der mitreißendsten, die ich je gehört habe. Die Stimmung ist weniger negativ oder pessimistisch sondern vermittelt eine beschwingte Aufbruchsstimmung, das stimmungsvolle Zusammenspiel der Pianomelodie mit den genialen Drums und Glocken ist eine Pracht. Aber „Dagor Bragollach“ ist auch etwas ganz Besonderes: Blackmetal (oder Dark/Epicmetal) ohne Gitarren. Und denoch brutal, kraftvoll und keinesfalls lieb. Es kann wirklich funktionieren und dem Hörer wird beim ersten Mal nicht sofort auffallen, daß etwas anders ist. Und dann ist das noch ein Lied. Das eine Lied. Mein Lieblingslied. „The legend of the master-ring“, die Erzählung Tolkiens über die Verteilung der Ringe unter den Völkern Mittelerdes und des einen Ringes. Wenn ich sage, daß die Pianomelodie die beste Melodie ist, die je in Tasten gehauen wurde, dann ist diese Meinung zwar 100% subjektiv, aber soll zumindest ein Indiz dafür sein, daß man hier etwas ganz Großes hören kann. Und während sie immer und immer wieder gespielt wird setzen nach und nach die anderen Instrumente ein und als Hörer fühle ich mich auf eigentümliche Art gut, bekräftigt, kurz: positiv beeinflusst. Wenn dann die Drums einsetzen muß der Körper einfach kurz „mitgehen“. Doch das Beste kommt noch: zur Halbzeit verstummen alle Instrumente und Gesänge bis auf eine Panflöte und etwas, das nach einer Mundharmonika klingt (Ich verweise nochmal auf die Keyboardqualität, über die man hinweghören muss). Und in dieser Ruhe wird ein 15sekündiger Krächzer losgelassen und die Hauptmelodie setzt wieder ein. Gänsehaut pur.

So, diese Review war voller beste, tollste und andere Superlative und denoch werden es keine 6 Punke sondern „nur“ 5 – liegt aber alleine am Klang der Keyboards, der wirklich das Prädikat „gewöhnungsbedürftig quäkend und eigentlich schrecklich“ verdient hat. Da sich Summoning über die Jahre immer weiterentwickelt haben und sich auf der „Oath Bound“ mit „Mirdautas vras“ (dem zweiten Song der Summoning-Geschichte ohne Gitarren) und „Northward“ mit die besten Titel finden, die die Band bisher hervorgebracht hat, muss man einfach zugeben, daß „Minas Morgul“ durch seinen Sound objektiv betrachtet zurückfällt.