Als 2002 das Debütalbum „Black City Lights“ von State Of The Union erschien, überschlug sich die Presse vor Lobeshymnen. Mastermind Johann Sebastian war in aller Munde und stand für einen innovativen Mix, der die Leichtigkeit des Synthpop mit der variablen Heftigkeit des Elektro zu einem bunten Potpourri ausgefeilter Songs mit Ohrwurmgefahr verband. Synthetische Melodien, eingängige Rhythmen und tanzflächentaugliche Beats waren das Erfolgsrezept.

Die schwere Aufgabe mit dem Nachfolger „Inpendum“ die hohen Erwartungen wieder zu erfüllen gelang. Nach langer Wartezeit melden sich die US-Amerikaner nun mit ihrem drittem Longplayer „Evol Love Industry“ zurück. Natürlich waren die Vorankündigungen reichlich mit Vorschusslorbeeren gespickt, die noch zum Beweis ausstehen. Tja, wer die Messlatte so hoch legt, muss sich nicht wundern, wenn er sie einreißt. So oder so ähnlich könnte es im vorliegenden Fall leider heißen. Bei 14 Tracks hat man ja reichlich Potential um einen echten Volltreffer zu landen. Sicher gelingt das auch auf „Evol Love Industry“.

Die Dichte der bemerkenswerten Titel ist aber leider deutlich geschrumpft. Eingängigkeit scheint bisweilen mit Einfachheit verwechselt zu werden. Läuft das Album nebenher, verliert es sich allzu schnell in Belanglosigkeit und kann sich nur selten mit Glanzpunkten ins Bewusstsein rufen. Bis zum ersten Highlight plätschern viel zu oft gehörte Melodien an einem vorbei. Selbst die große Stärke Songwriting wird zu meinem Entsetzen zuweilen durch Einfallslosigkeit ersetzt. Gleich der Opener (lässt man das Intro außer acht) arbeitet mit sämtlichen Klischees und selbst der sofort neugierig machende Titel „Bad Girls Need Love Too“ wartet nur mit einem dahin gestöhnten „Do you like it hot, do you like it hard...come inside…faster…“ auf. Puh, bitte wieder zurück zu Inhalten. Dass es geht, hat Johann doch auf den Vorgängeralben eindrucksvoll bewiesen.

Die großen Potentiale kann man auf „Evol Love Industry“ aber leider nur erahnen. Das lebendige „Nothing At All“ lässt aufblitzen, was man von State Of The Union kennt, was man von den US-Amerikanern bisher gewohnt war. Eingängige, harmonische Melodien gepaart mit der charismatischen Stimme Johanns, die in einem Ohrwurmrefrain gipfeln. „Radioman“ besinnt sich ebenfalls auf die bekannten Stärken und zielt als pulsierende Elektro-Pop-Nummer direkt in die Herzen der Tanzflächenstammgäste. Auch bei den vier Bonustracks (im mp3-Format) liegen Licht und Schatten nah beieinander. Einfallslose Beatnummern werden glücklicherweise vom auffallend unterhaltsamen „Blindfold“ unterbrochen.

Nach 14 Tracks stehe ich vor vielen Fragen: Wo sind Herzblut und die unbändige Kreativität auf der Suche nach innovativen Sounds geblieben? Wieso muss der Hörer immer wieder vom Gipfel des Elektro-Pop-Olymp zurück in die fade Realität des Elektro-Einheitsbreis fallen? Kann man tiefgründiges Songwriting verlernen? Bevor nun der Aufschrei kommt: Hätte „Evol Love Industry“ wie seine Vorgänger geklungen, hätte es sich den Vorwurf der bequemen Einfallslosigkeit gefallen lassen müssen. Ja, vielleicht hätte es das. Aber wieso muss das Betreten von Neuland einen Rückschritt bedeuten? Die so oft erwähnte moderne Frische höre ich viel zu selten aufblitzen. Lieber tummeln sich die meisten Songs auf altbewährten und viel zu oft bespielten Popspielplätzen. Um am Ende aber noch einen Stern auf die Bewertung drauf zu legen: Das Album hält als weiteren Bonus den Videoclip zu „Radioman“ bereit. Da hat die Band ja zum Glück auf das richtige Pferd gesetzt.