Es ist wieder einmal soweit: Das hessisch-baden-württembergische Duo Olaf Himmelmann und Sandro Ringeling hat fleißig getüftelt und erneut ein liebevolles Kleinod synthetische Popmusik geschaffen. „Momentum Part II“ knüpft namentlich an seinen Vorgänger an, setzt aber teilweise überraschende neue Akzente, ohne dabei den elektronischen Kosmos zu verlassen. Die „Echoes from the past“, auf die sich Sänger Olaf in den Strophen des Openers „Behind Your Mask“ bezieht, werden nicht nur in lyrischer Form aus den achtziger Jahren in die Gegenwart teleportiert. Auch die verwendeten Retro-Sounds, die oft erst im zweiten oder dritten Hördurchlauf verifiziert werden können, bereiten im Background eine nostalgisch angehauchte Spielbühne auf. Vermeintlich simple Melodiebögen, wie sie in Depeche Mode’s „Leave in Silence“ oder den frühen Werken von Yazoo stilbildend waren, treten bei Behind the Mask dezent hinter der Maske hervor, ohne dabei dominant zu wirken. Sie verleihen dem Song aber einen ganz besonderen Charme, der eine erhöhte Frequenz beim Betätigen der Repeat-Taste nach sich zieht.

Der wohl eingängigste Titel der CD hört auf den Namen „The Blitz Kids“ und rekurriert textlich auf die New-Romantic Ära. „There once was a time, when punk was almost dead“, läutet eine unbeschwerte Bassline die positive Grundstimmung ein, die den Song über die komplette Spielzeit trägt und dem Hörer, sofern er mit dem Aussterben des Punks positive Assoziationen verbindet, gute Laune bereitet. Das kreative Duo überrascht in den vier Minuten mit vielen sukzessiv hinzugefügten Sounds, einem spannenden Outro und packt dank differenziert instrumentierter Passagen quasi zwei oder drei Lieder in eines - andere Bands bestreiten mit derlei Ideenvielfalt ein ganzes Album, hier wird der synthetische Melting-Pot in einem einzigen Epos ausgekippt. Ganz großes Kino! „Catch the moment“ drosselt das Tempo, fügt sich aber nahtlos in das Konzept des Mini-Albums ein. Wo zuvor ein Loblied auf die Vergangenheit gesungen wurde, wird der Hörer fortan ermahnt, auch in der Gegenwart jeden Moment des Lebens zu genießen und diesen im Hirnstübchen zu memorieren. Zwar mag die Instrumentierung des Songs im ersten Moment recht minimalistisch wirken, doch würde es mich nicht wundern, wenn das Abstimmen und Zusammenfügen der feingliedrigen Spuren den Herren Himmelmann und Ringeling recht viel Zeit gekostet haben dürfte. Der arbeitsintensivste Beitrag der CD? Deutlich straighter kommt die „Kühle Eleganz“ daher. Mir persönlich gefällt Spreading Point auf Englisch besser, aber die einmal begonnene Zeitreise muss natürlich auch den New Wave zu Beginn der ersten Synthiewelle in deutschen Landen thematisieren. Dieser Song könnte auf jeder alternativen NDW-Party, die auch „LalaLa“ abseits von „DaDaDa“ spielen, zur Playlist gehören.

Wenn mich jemand fragte, wie Spreading Point denn klänge, würde ich zwei Minuten der Blitz Kids anspielen und dann direkt ein Snippet dieses Songs anschließen, schon hätte der aufgeschlossene Musikfreund eine neue Lieblingsband entdeckt. „Keep In Touch“ dürfte mutmaßlich polarisieren. Das geniale instrumentale Intro ist das beste Stück Musik, das die routinierten Synthpopper je komponiert haben, während der Refrain im Vergleich etwas simpel klingt, obgleich mit einer interessanten Melodie unterlegt. Im Regelfall bin ich kein Freund reiner Instrumentalstücke, aber das letzte Stück der ersten Albumhälfte hätte auch ohne Gesang gut funktioniert oder vielleicht mit der Bridge ab 2:50 bzw. 3:50 als Chorus. Das Konzept der Momentum-Serie dürfte darin bestehen, ähnlich wie bei einem Vinyl-Album auf die A-Seite die eigenen Lieder zu packen und auf der B-Seite die Remix-Versionen der einzelnen Stücke. Beim ersten Teil aus dem Jahre 2015 war die Qualität über beide Seiten hinweg ausgeglichen, dieses Mal wissen die unbearbeiteten Songs besser zu gefallen, was als Kompliment zu verstehen ist. Ausnahme bildet wie immer Peter Rainman alias People Theatre, der einfach mal „Fade To Grey“ und einige Facetten seiner berühmten Dance-Piano-Sounds vereint und daraus einen flotten Remix der ohnehin schon flotten „Blitz Kids“ gezaubert hat.

Absolute Hörempfehlung, 5 Sterne deluxe! Auch der dynamische Mix von Dynamic Master verdient dank seiner treibenden Rhythmik eine besondere Erwähnung. Wer auf klassischen Synthpop mit einem dieses Mal auch konzeptionell verankerten Retrotouch steht, sich aber auch aktuelleren elektronischen Sounds nicht komplett verweigert und daüberhinaus einfach eine sympathische Band unterstützen möchte, darf gerne zu „Momentum Part II“ greifen, zumal die CD über Scent Air Records auch noch zu einem sehr fairen Preis angeboten wird. Catcht den Moment und holt Euch die Scheibe!