Würde man den Pressemitteilungen und Ankündigungen zum Debut einiger Newcomers ungehört Glauben schenken, dann könnte man mit vollen 6/6 Punkten um sich schmeißen, dass es nur so kracht. So ganz weiß ich nicht, ob diese Art von Presse irgendwem hilft – interessanter macht es die folgende Hörprobe nicht im mindesten. Eher schürt es meine Bereitschaft, das Gegenteil zu belegen. Protafield erschaffen mit ihrem Mix aus Metal, Punk, Elektro und Industrial sicherlich nichts ganz Neues.

Der Vierer aus UK, der vorher nach Frontmann Jayce Lewis benannt war, wird nichts revolutionieren, alles anders machen oder das musikalische Heil bringen. Aber das alles muss man doch auch nicht. 'Nemesis' ist auch auf ganz althergebrachte Weise ein sauberes Debut, auf das man stolz sein kann. Gary Numan gab auf sie befragt an, dass Protafield einer der besten Live-Acts sei, die er je auf Tour dabeigehabt hätte. Das sagt wenig über die musikalischen Qualitäten aus, aber damit wäre das Namedropping im Sounds-alike-Kontest eröffnet. Protafield orientieren sich in meinen Ohren deutlich an den Industrial und Nu Metallern der 90er – ich höre deutlich Melodieschemen und auch Sounds von Fear Factory, Korn, Clawfinger und Static-X, nur eben 15 Jahre später mit deutlich mehr Elektronik interpretiert. Zumindest lassen dies die erste Albumhälfte und ganz besonders der Opener "God forced" vermuten. Dieser Track vermittelt in meinen Ohren einen falschen Eindruck (auch wenn er für sich genommen klasse ist): nach verzerrten Publikumsgeräuschen setzt eine Mucke ein, die klingt, als ob man oben genannte Bands rein elektronisch und schön hektisch nachspielen möchte. Der melodische Bridge-Gesang steht im Gegensatz zur geschrienen und gegrowlten Haupttextwiedergabe und ich fühle mich direkt 15 Jahre jünger. Kraftvoll und schön wild – ein Knaller.

Aber so elektronisch wollen Protafield auf Dauer nicht sein. Doch ersteinmal bleiben sie es: "Severe sever" grooved beschwingt und "Pure" ist im Refrain episch und fast schon romantisch. Noch steht die Elektronik im Vordergrund, die Gitarrenriffs sind dermaßen verzerrt, dass man an dieser Stelle nur bedingt von Metal sprechen kann. "Perfect defect" ist mein Albumfavorit, aber wieder ein Sonderling auf dem Silberling. Die zerbrechlichen Strophen mit punkig simplem Drumming verwandeln sich im Refrain in eine großartige (wenn auch nicht innovative) Gitarrenwand. Ein toller Track, sehr 90er. Nun entwickelt sich 'Nemesis' immer deutlicher in eine metallige Richtung, die Gitarren in "Wrath" sind entzerrt, der Refrain ist dermaßen typisch und episch. Nach einem einlullenden Synthie- und Gitarrensolointermezzo folgen mit "Make believe" und "Mass effect" noch zwei sehr starke Tracks, "Sinner" und der Titeltrack hingegen stören mich aufgrund ihrer aufgesetzten und anödenden Melodien und der Umsetzung. Vor allem setzt ab Lied 6 eine Ermüdung ein: statt immer neue Elemente zu präsentieren bleiben Protafield auf der zweiten Albenhälfte in einem einzigen Schema gefangen und nehmen dem Album dadurch den Drive. Die beiden genannten tollen Tracks verhindern aber eine Enttäuschung. Es ist nicht das Neuartige oder die überraschende Kreativität, die 'Nemesis' zu einem guten Album machen. Es ist eher das Gelingen, einen aus der Mode gekommenen Sound mit etwas erhöhtem Elektronikanteil neu aufleben zu lassen, ohne nach reiner Abkupferei zu klingen.

Überraschungen habe ich zu keinem Zeitpunkt erlebt, nur eine Zusammenstellung bekannter und gut funktionierender Klangmittel und -schemen. Protafield fordern den Hörer nicht heraus, sie wollen mitreißen (und sicherlich live für eine tolle Stimmung sorgen). Dafür haben sie mit ihrem Debut alles im Gepäck und das kann man doch auch ersteinmal begrüßen. Ich habe Lust, noch einmal die Liste der alten Kracher zu hören, aber von nun an gehört Protafield sicherlich mit einigen Song mit zu dieser Liste.