Geboren 1975 im baden-württembergischen Tübingen, probierte sich Dirk Geiger mit 15 Jahren als DJ, begann dann nach einer Weile auch selbst zu produzieren und bildete zusammen mit Benedetto Rizzo das Electro/Industrial-Projekt "Kraftmaschine". 2003 gründete er im nahegelegenen Rottenburg das Label Raumklang Music und veröffentlichte dort vier Jahre später sein Solo-Debüt "Den Neckar Hinab", welches im Bereich IDM und Ambient angesiedelt wurde. Im darauf folgenden Jahr erschien dann auch schon sein Hardcopy-Debüt "Dondukov 15". Über Raumklang haben übrigens auch schon Klangstabil und kürzlich erst Tapage einige Klangprodukte preisgegeben, hier wird also nicht mit Luftblasen gebacken.

Mit "Autumn Fields" kam vor ein paar Monaten der Nachfolger auf den Markt, diesmal über Tympanik Audio, wo er mit seiner Arbeit ebenfalls gut aufgehoben ist. Stimmungsvoll wird man mit "Gewitterregen" in die kommenden Klangkulissen eingeführt. Vor dem Hintergrund von Aufnahmen eines donnernden Gewitters und einsetzendem Regen ertönt kontemplatives, entschleunigendes Klavierspiel. Das Wasser bedeckt die Straße und im folgenden "Autumn Life" bekommt man dazu auch die entsprechenden Geräusche vorbeifahrender Fahrzeuge zu hören. Zu dieser vertrauten akustischen Begebenheit setzt ein Stimmengewirr ein, dem man nur entnehmen kann, dass auch Kinder darunter sind. Gemeinsam mit den nahezu zaghaften, sanften Pads wird dadurch eine gedämpfte, ruhige Stimmung evoziert, welche an der Grenze zur Melancholie entlangstreift, sie aber kaum überschreitet. Der Downtempo-Rythmus setzt sich aus Glitch-Sounds zusammen, die teils metallisch rattern, wie bei einem Fahrrad oder Schraubenschlüssel, oder aus den typischen kurzen, verzerrten Klicks bestehen. Sie wirken im Vergleich zu der, durch die Field Recordings wiedergegebenen, alltäglichen Umgebung irgendwie technisch, künstlich, fremdartig, und begründen somit in diesem, wie auch den anderen Stücken des Albums, ein eigenwilliges Spannungsverhältnis. Die Kombination von aufwärmenden, klangvollen Ambient-Flächen mit den evtl. etwas gewöhnungsbedürftigen Breakbeat- und abstrakteren IDM-Rhythmen, die eher einen unterkühlten Eindruck hinterlassen, ist nicht neu, doch der Zusatz von Aufnahmen aus urbanen Lebensräumen (u.a. auch Vogelzwitschern, Münzen-Geklimper, Funkgeräte, am häufigsten jedoch unkenntliche Stimmen und Fahrzeuge) und die harmonische Einbettung in das Gesamtkonzept von "Autumn Fields" ist ihm gut gelungen und hebt ihn etwas aus der "Masse" hervor, zumindest ist mir bisher nichts vergleichbares bekannt (was allerdings nicht viel heissen muss).

In "Noise Format" (Format Noise ist übrigens ein Sublabel von Raumklang) setzt er zunächst auch weisses Rauschen ein, das im weiteren Verlauf in das, wieder jedem bekannte, Durchforsten von Radiofrequenzbändern übergeht. Hier dominiert in der ersten Hälfte das Beatwork und eine ominöse Atmosphäre, bevor in der Zweiten dann wieder Pads die Atmosphäre aufhellen. Auch arbeitet er teilweise mit starken Bass-Drones (vor allem in "Winter Senses") und dem ein oder anderen, vielleicht ein wenig störend erscheinendem, hohen Klingeln/Fiepen. Mit Ausnahme des ersten Stücks und der Remixes ist der gemeinsame Nenner jedoch der glitchy Beat und die Synth-Flächen, die untereinander auch relativ ähnlich klingen. Die Remixes sind meiner Ansicht nach sehr gut gelungen, denn zum Einen fügen sie sich nahtlos in die Gesamtatmosphäre ein, zum Anderen geben sie den Stil der Remixer deutlich wieder, ohne das Original völlig unkenntlich zu machen. Der Italiener Raimondo Gaviano aka Svart1 produziert selbst Dark Ambient und hebt in seinem Mix von "Night In Haskovo" den wabernden Drone stärker hervor und stellt den abgewandelten Beat etwas mehr in den Hintergrund, d.h. er sticht nicht so hervor wie in der Vorlage. Eine melodische, tiefe Synthline macht eine Entwicklung innerhalb des Tracks nachvollziehbarer bzw. deutlicher als es bei Geiger's Version der Fall ist, bei dem die Unterschiede sich eher im Detail verstecken.

Access To Arasaka verwandelt "Overhead Projection", wie auch bei anderen Remixes, in sein eigenes Stück, d.h. das gesamte Sounddesign entspricht seiner Signatur. Auch er schafft es, mit einer einfachen, kurzen Hookline und deren Manipulation eine ergreifende Entwicklung zu erzielen. Insgesamt gibt es hier weniger Beat und mehr Ambient, die desolate Stimmung bleibt erhalten. "Autumn Fields" ist eigentlich ein Album für entspanntes Zurücklehnen und aufmerksames Zuhören, aber dürfte ebenso eine Bereicherung für herbstliche Unwetter-Fahrten oder verträumtes Aus-dem-Fenster-schauen bei einem Glas Wein und der Lieblings-Opiumpfeife darstellen. Der detaillierte und tiefe Klangraum bietet viele Ansatzpunkte für Anteilnahme, trotz der gelegentlich zu auffälligen Wiederholungen und scheinbaren Ziellosigkeit mancher Arrangements. Letzteres dürfte jedoch auch als Teil der intendiert hervorgerufenen Stimmung betrachtet werden können, welche eben durch Ruhe und eine gewisse belanglose Flüchtigkeit geprägt ist. Ein Nachteil ist, dass bis auf wenige Details und einen diffusen Eindruck nicht viel hängen bleibt, insofern sollte man dazu in der Lage sein, ausreichend Motivation für mehrmaliges Hören aufzubringen.

Dieses Werk ist also eher ein Komplement des normalerweise unbeachteten Augenblicks, und damit dem Charakter der Momente entsprechend, die auf diesem Album akustisch ausgemalt werden.