DM. Eigentlich nur zwei Buchstaben, die aber vielen doch deutlich mehr bedeuten. Denn für Freunde elektronischer Musik steht das Kürzel seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Synthpopband aus England. Eine Band mit langer Tradition, mit zahlreichen Hymnen, die weit über die Genregrenzen bekannt und schon lange auch in den Charts zu finden sind. Eine Band, die manchen von uns deutliche Impulse bezüglich Haarschnitt und generell äußerem Erscheinungsbild gegeben hat. Und eine Band mit einer der, wenn nicht sogar der treuesten Fanschaar überhaupt. Die Rede ist natürlich von Depeche Mode.

Bei soviel Tradition und musikalischer Wegbegleitung und ja, auch Lebenseinstellung unsereins, liegt die Latte der Erwartungen an ein neues Album jedes Mal von neuem sehr hoch. Insgeheim hoffen wir Langzeitfans doch immer noch auf eine zweite "Music For The Masses" oder "Violator", bzw. halt sonstige Fortsetzung der DM-Platte, zu der man damals in die Szene eingetaucht ist. Noch dazu kommt, dass irgendwie nach dem letzten etwas mageren Album "Sounds Of The Universe" noch eine kleine Rechnung offen zu sein scheint. Und da ist sie nun, die "Delta Machine", das 13. Studioalbum der drei "Jungs" aus Basildon. Ein simples Coverartwork, ein noch simpleres neues DM Signet, und zwei unscheinbare musikalische Vorboten, zum einen der stampfende Soul/Blues/Elektro-Track "Angel", bekannt von der Pressekonferenz letzten Jahres, und zum anderen die sanfte extrem erst-single-untaugliche Eben-doch-erste-Single "Heaven". "Was kommt da bloß auf uns zu?", war mein Gedanke, irgendwie war alles sehr schwer abzuschätzen. Wagemutige Theorien im Internetz zum Albumtitel mutmaßten, da Delta vier bedeutet, über die bereits erfolgte Réunion des Trios mit Gründungsmitglied Vince Clarke, da dieser zum einen ja mit Mastermind Martin Gore vor kurzem ein extrem dickes Technoalbum veröffentlicht hat (VCMG – SSSS) und zum anderen auch laufend in New York war, wie DM einen Teil des Albums im Jungle City Studio aufgenommen haben. Aha.

Wie dem auch sei, direkt vom Titel lässt sich nur schwer darauf schließen, was die Maschine zu bieten hat. Womit wir endlich bei DM, also "Delta Machine", wären. Ein Salut auf das Späßchen mit der Doppeldeutigkeit unseres Lieblingskürzels. Gleich vorweg, DM ist ein verdammt gutes Album geworden. Aber ganz so einfach wird es dem Hörer nicht gemacht, man muss den richtigen Zugang finden und sich ordentlich mit der Platte beschäftigen. Das Album scheint mit jedem neuen Durchgang zu wachsen, man entdeckt immer mehr Feinheiten, die erst auf Dauer bleibenden Eindruck hinterlassen. Keinesfalls leichte Kost also. DM mit anderen aktuellen Elektropopalben zu vergleichen funktioniert meiner Meinung nach nicht. Hier spielt einfach zu viel zusammen und man muss vielleicht auch so manche Erwartung über Bord werfen und offen für Neues sein. Neben Martin Gore’s gewohnten Songbeiträgen sei auch Dave Gahan und Kurt Uenala (aka. Kap10Kurt) als neues kongeniales Songwriterduo erwähnt. Sie tragen das Ihre zum Gesamtwerk bei und stehen für satte Melodien & Energie, insgesamt fünf der 17 neuen Tracks sind aus ihrer Feder. Auch wird man endlich dem schon für den Vorgänger angekündigten starken Elektro-Einschlag gerecht und die mir anfänglich fehlenden Interludes, die man von vielen vorigen Alben gewohnt war und liebgewonnen hat, werden durch lange knackige Outros bei so manchem Track würdig ersetzt. Weiters hilft einem bei der Findung des richtigen Zugangs die Überlegung, dass die Herren Mode nun mal keine 25 mehr sind und sie wohl wirklich dem Blues/Soul näher stehen als je zuvor - denn ein so richtig fettes Brett für die Tanzfläche oder eine neue Hymne ist auf DM nicht zu finden.

Die meisten Tracks sind relativ düster, behäbig, tragend, intensiv. Am ehesten reißen diesbezüglich noch die zweite Single "Soothe my Soul", mit starker "Personal Jesus"-Reminiszenz, "Soft Touch/Raw Nerve" mit dezenten Rockabilly Anleihen á "John The Revelator" oder "All That’s Mine" von der Deluxe CD bzw. B-Seite von "Heaven", dank der hektischen Bassline, aus. Auch "Secret To The End" mag dazuzählen und steigert sich zu einem Elektrosynthgewitter, bleibt aber schwer tanzbar. Was einem bald mal auffällt, ist der erstaunlich hohe Anteil an verspieltem minimalen Elektro/Techno in so gut wie jeder Nummer, der quasi als Gegenpol zu den Blues/Soul-Ausflügen scheint. Vom Sound her wird man teils deutlich an die beiden Vorgängeralben erinnert, die beide von Ben Hillier produziert wurden. Mit DM hat er aber sein eindeutig bestes Werk der Trilogie abgeliefert. Das liegt vielleicht auch daran, dass Sounds von älteren Alben durchklingen, oder dass Flood, ein alter Bekannter der Band, der schon bei etlichen Releases dabei war, beim Mix nachgebessert hat. Auf jeden Fall klingt DM präziser und mächtiger als die Vorgänger, besonders im Kopfhörer und bei berechtigt überhöhter Zimmerlautstärke.

Meine Anspieltips sind "Welcome To My World", ein grandioses Intro, das ich mir für die Tour als Opener wünschen würde, "My Little Universe", ein sehr diverser und verspielter Track mit trockenstem Elektro-Finish, "Broken", für mich die ausgewogenste und angenehmste Nummer des Albums, "Should Be Higher", mein absoluter Höhepunkt der Platte mit Dave in leicht gewöhnungsbedürftigem Falsetto und sehr "Ultra"-esquen Sounds, "Alone", eine sehr minimale synth-lastige Ballade, und, wie es mir beim Vorgängeralbum eine Nummer auf der Deluxe Bonus CD sehr angetan hat ("Light"), gibt es hier auf "Delta Machine"’s CD2 auch einen herausragenden Track, nämlich "Happens All The Time". Fazit: Depeche Mode’s 13. Studioalbum ist keine leichte Kost, braucht einige konzentrierte Hördurchgänge und, wie gesagt, auch den richtigen Zugang. Dann aber kommt die "Delta Machine" so richtig auf Touren und bietet sowohl dem langjährigen Fan als auch dem neuerem Elektro/Techno-erprobten Zuhörer soliden und hochqualitativen Hörgenuß.

Aufgrund der doch einen oder anderen Nummer, die mich (noch) nicht ganz überzeugt hat, zieh ich ein Sternderl ab. Wobei ich sicher bin, dass genau diese Tracks auch ihre Fans haben. Schön, dass DM mit DM wieder mal ein großes Album abgeliefert haben, man darf sich auf die bis Ende 2014 (!) dauernde Tour, die am 5.5. in Nizza beginnt, freuen. Oder, wer eines der raren Tickets ergattert hat, auf das Album Launch Event am 24.3. im Wiener Museumsquartier.