Ein Schrei des Entsetzens hallte am 1. Oktober 2005 durch die Musikwelt, als die Trennung zwischen Tarja Turunen und Nightwish öffentlich wurde. Beide Seiten schoben sich anschließend gegenseitig die Verantwortung zu – und nicht wenige kommentierten das mit düsteren Prognosen für die Karriere beider Parteien. Heute, etwas mehr als zwei Jahre später, zeigt sich jedoch: Für beide hätte es kaum besser laufen können. Nightwish begeisterten mit „Dark Passion Play“ die Musikpresse und erreichten mit überwältigenden Verkaufszahlen das bislang erfolgreichste Kapitel ihrer Bandgeschichte. Und Ende Oktober meldete sich nun auch Tarja mit ihrer Single „I Walk Alone“ eindrucksvoll zurück – in Deutschland immerhin auf Platz 16.
Mit „My WinterStorm“ steht nun das Album auf dem Prüfstand, und Tarja bekennt farbe. Ihre Liebe zu Filmmusik zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk: Unterstützt von namhaften Größen der Branche – unter anderem Hans Zimmer, dessen Handschrift man aus „Fluch der Karibik“ oder „Gladiator“ kennt – entfaltet sich ein cineastischer Klangraum, der durch mehrere instrumentale Zwischenstücke noch unterstrichen wird. Doch gerade diese Tracks bleiben hinter ihren Möglichkeiten zurück: austauschbar, vorhersehbar und letztlich verzichtbar.
Stärker präsentieren sich die eigentlichen Songs. Die Single „I Walk Alone“ überzeugt durch ihre klare Struktur und verzichtet wohltuend auf unnötige Ausschmückungen. „Sing For Me“ wiederum wartet mit einem mächtigen Chor auf, der sich packende Gefechte mit Tarjas Stimme liefert – selbstverständlich ohne eine Chance, sie zu übertreffen.
Weniger gelungen sind die ohnehin wenigen rockigen Titel wie „Lost Northern Star“, „My Little Phoenix“ oder „Ciaran’s Well“. Die Gitarren wirken blass, uninspiriert und scheinen eher dazu gedacht, alte Nightwish-Fans ein wenig zu beruhigen, anstatt echte Akzente zu setzen. Dabei ist das gar nicht nötig: Das Orchester leistet hervorragende Arbeit, schafft es jedoch zu keiner Zeit, mit den Gitarren eine stimmige Einheit zu formen.
Deutlich überzeugender sind die Balladen, die ohnehin die Mehrzahl der 14 „echten“ Songs ausmachen. „The Reign“, „Boy and the Ghost“ und „Minor Heaven“ gehören zu den atmosphärischen Höhepunkten des Albums: düster-romantisches Gänsehautmaterial, getragen von Tarjas unverwechselbarem Timbre. Kompositorisch bewegt sich „My WinterStorm“ insgesamt im soliden Mittelfeld – doch Tarjas stimmliche Präsenz hebt vieles über das Durchschnittliche hinaus.
Was dem Album jedoch fehlt, ist ein klar erkennbarer roter Faden. Zu viele Songwriter, zu viele Richtungen, zu wenig innere Kohärenz. Umso reizvoller ist ausgerechnet das einzige Stück, das Tarja komplett selbst komponierte: „Oasis“. Anfangs glaubt man noch an ein weiteres Instrumental, bis sich Tarjas Stimme – auf Finnisch – spät, aber umso wirkungsvoller in den düsteren Klangteppich schiebt und den Song mit glitzerndem Licht erfüllt. Einer der stärksten Momente des Albums.
Der Tiefpunkt folgt dagegen in Form des Alice Cooper-Covers „Poison“. Was einst ein Rockjuwel war, wird hier zu einem monotonen, unglücklich arrangierten Stück Musikgeschichte-Recycling. Die Gitarren poltern lieblos dahin, der Chor wirkt deplatziert – und als wäre das noch nicht genug, singt auch Tarjas Bruder mit. Aus einer Rockikone wird so eine verkrampfte 08/15-Chart-Nummer. Ein Ärgernis.
Fazit: „My WinterStorm“ ist ein gelungenes Solodebüt, dessen Stärke eindeutig in Tarjas Ausnahmestimme liegt, weniger im Songwriting. Ihr Sopran überstrahlt vieles – manchmal sogar zu sehr. Die Kompositionen erhalten oft nicht genug Raum, um eigenständig zu wirken. Für verschneite Abende vor dem Kamin eignet sich das Album dennoch hervorragend. Im Digipack warten zudem drei Bonustracks sowie eine DVD mit Einblicken in die Entstehung des Albums.
Anspieltipps:
I Walk Alone
The Reign
Oasis
Medienkonverter.de
Tarja Turunen - My WinterStorm
Attrition - Etude
Attrition zum zweiten,auch eine Neuauflage eines alten Werks der Band. Dieses Mal namens „Etude“, we
Dark the Suns - In darkness comes beauty
Hinter der Band mit dem lebenslustigen Titel Dark the Suns verstecken sich die finnischen Sonnenanbe