Manche Alben brauchen einfach ein bisschen länger – nicht weil sie sperrig wären, sondern weil man ihnen einfach den Raum geben will, den sie verdienen. Das Release 'Alone In A World Of Wounds', das bereits am 16. Mai 2025 erschienen ist, gehört genau in diese Kategorie. Ja, wir hätten natürlich schon längst etwas dazu schreiben können. Aber ganz ehrlich: Nach dem ersten Durchlauf haben wir erstmal die Kopfhörer zur Seite gelegt, tief durchgeatmet und uns gedacht: „Wow. Das muss jetzt erst mal sacken.“ Und dann war plötzlich Juni. Und dann Juli. Und dann hat der Redaktionskater auf der Tastatur geschlafen. Ihr kennt das.
Dabei hat sich Steve Von Till mit diesem Album ein weiteres Denkmal gesetzt – und das ganz ohne Pomp. Wer ihn bislang nur als Gitarristen und Sänger der legendären Neurosis kennt, kennt eben nur die halbe Wahrheit. Denn Von Till ist nicht nur Lärm-Magier im Post-Metal-Universum, sondern auch Klangalchemist, Naturphilosoph, Lyriker und (wirklich wahr) Lehrer. Mit Nebenprojekten wie Tribes Of Neurot oder dem Drone-Vehikel Harvestman hat er längst bewiesen, dass seine Kreativität keine Genregrenzen kennt. Und als Solokünstler schlägt er regelmäßig den leisen, eindringlichen Ton an – so auch auf seinem siebten Soloalbum.
Mit 'Alone In A World Of Wounds' geht Von Till nun noch einen Schritt weiter. Hier wird nicht mehr einfach nur gesungen oder gezupft – hier wird gebetet, geklagt, gehofft. Das Album ist ein düsteres, wunderschönes Gebilde aus gothic-getränkter Americana, verhallten Pianos, tranceartigen Drones und tief atmenden Cello-Schichten. Es ist keine Musik für laute Boxen oder volle U-Bahnen, sondern für neblige Spaziergänge, das Licht hinter geschlossenen Lidern und jene Abende, an denen die Welt zu laut und die Gedanken zu schwer sind. Besonders faszinierend ist, wie sehr Von Till hier stimmlich aufblüht. Seine Stimme – ein raues, brüchiges Organ zwischen Tom Waits auf Valium und einem Waldschrat, der zu viel Nick Cave inhaliert hat – bekommt auf diesem Album Raum wie nie zuvor. Man hört, wie ihn die Klänge von Upright-Pianos und Synths beflügelt haben: Er singt offener, freier, fast suchend – als würde er irgendwo zwischen den Noten eine vergessene Sprache wiederfinden wollen.
Die Songs selbst – von 'The Corpse Road' bis zum letzten 'River Of No Return' – wirken wie Kapitel eines melancholischen Tagebuchs. Sie erzählen - glaube ich - von Trennung, Entfremdung und dem tiefen Wunsch nach Wiederverbindung mit der natürlichen Welt. Man merkt schnell: Das ist keine bloße Pose. Von Till meint das ernst. Für ihn ist Musik ein Mittel, sich mit dem „mehr als menschlichen“ Leben zu verbinden, wie er es selbst nennt. Wenn er über den Fluss des Universums spricht, klingt das nicht esoterisch, sondern erdig.
Gemixt wurde das Ganze von Randall Dunn in Brooklyn – ein kluger Schachzug, denn Dunn versteht es wie kaum ein anderer, Musik in Raum und Tiefe zu übersetzen. Und das Artwork? Kommt wohl von Brian Deemy, der mit nassen Tintype-Fotografien hantiert und damit den perfekten visuellen Zwilling für diese Platte geschaffen hat. Rost, Schatten, Schönheit. Natürlich könnte man anmerken, dass dieses Album keinen großen Bogen schlägt, keine klimaktischen Höhen erklimmt, keinen Ohrwurm liefert – aber das ist hier auch gar nicht der Punkt. Alone In A World Of Wounds will nicht mitreißen, sondern versenken. Es will nicht tanzen, sondern still neben dir sitzen, wenn du nicht weißt, wohin mit dir. Es ist das Gegenteil von Streaming-Algorithmen-Musik – ein entschleunigtes Manifest der Aufrichtigkeit.
Dieses Album ist für Menschen, die sich auf Musik einlassen wollen wie auf einen alten Freund: mit Zeit, mit offenen Fragen, mit Schweigen. Für Fans von Earth, Nick Cave, Mark Lanegan oder einfach von echter, tiefer Musik. Wer Steve Von Till kennt, wird lieben, was er hier geschaffen hat. Und wer ihn noch nicht kennt – der möge sich bitte ein wenig Moos aufs Sofa legen und mit diesem Album beginnen. Es lohnt sich.
Steve Von Till - Alone in a World of Wounds

Den.C.T.Bug - Elektrostadt

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