Gilgareth - Tyrfing

Gilgareth - Tyrfing

Vor vielen, vielen Jahren, irgendwo zwischen Pausenbrot, Matheheft und der ersten Begegnung mit einem Ork, begann die Geschichte von Gilgareth. Zwei Freunde, frisch aus der fünften Klasse, bewaffnet mit Miniaturen, Würfeln und schier endloser Fantasie, begaben sich auf ihre ersten Abenteuer im düsteren Keller von Hero Quest. Doch wie das so ist: Wer einmal das Regelwerk von Das Schwarze Auge verinnerlicht hat, den lässt die Fantastik nie wieder los. Statt Fußballplatz und Bravo Hits 13 stand Aventurien auf dem Plan – und die gemeinsame Reise nahm ihren Lauf. Jahre später, nach Umwegen über Philosophie, Kunst und die feine Technik von Synthesizern, beschlossen die beiden: Es ist Zeit, dem inneren Elfensöldner ein Sprachrohr zu geben. Und so entstand Gilgareth – ein Projekt, das sich mittlerweile durch mehrere Releases hindurch scheinbar schon als feste Größe im Dungeon-Synth-Untergrund etabliert hat.

Mit der am 24. Juli 2025 erschienenen Tyrfing EP legen Gilgareth ein weiteres Kapitel nach, das sich nahtlos in ihr bisheriges Werk einfügt – und dennoch seine ganz eigene Stimmung trägt. Vier Tracks sind es diesmal, die, kaum gestartet, schon wieder viel zu schnell verklungen sind. Gerade wenn man sich zwischen Nebelschwaden, Synthflächen und Dungeon-Melancholie eingerichtet hat, ist die EP auch schon vorbei. Aber was bleibt, ist das Gefühl, eine kleine Reise gemacht zu haben. Eine Reise, die zwar kurz war, dafür aber voller erinnerungswürdiger Stationen.

Eröffnet wird die EP mit dem herrlich benannten 'Abenteuer-Basis-Synth'. Und genau das bekommt man auch: eine solide, beinahe klassische Dungeon-Synth-Komposition, die ihre Wirkung aus Ruhe, Atmosphäre und leiser Dramatik zieht. In den gut fünf Minuten entfaltet sich eine dichte Stimmung, bei der man sich in längst vergessene Fantasy-Welten zurückversetzt fühlt – inklusive eines unterschwelligen Flairs, das entfernt an 90er-Jahre-Amiga-Sounddesign erinnert. Kein Witz: Es könnte gut sein, dass Ambermoon oder Lands of Lore hier heimlich Pate standen.

Der zweite Track, 'Tyrfing (Single Version)', ist das zentrale Stück des Releases – kürzer, klarer, fast hymnisch. Hier trifft die minimalistische Wucht von Dungeon Synth auf eine nahezu feierliche Aura. Ich interpretiere hier eine Art rituelle Übergabe: ein verfluchtes Schwert wird aus dem Stein gezogen, der Klang oszilliert zwischen Bewunderung und Furcht. Der Name Tyrfing, ein mythisches Schwert aus nordischer Legende, ist also nicht nur Deko – der Song fängt diesen Mythos ziemlich treffend ein. Mit 'Noch mehr Orks und noch mehr Goblins!' liefern Gilgareth dann einen ganz anderen Vibe. Der Trackname allein ist schon Kult – und der Sound setzt genau dort an: hektisch, ungestüm, fast schon comicartig flackernd. In nur 1:20 Minuten tobt ein kleiner Schlachtensturm durchs Audiospektrum, der gleichzeitig eine Hommage an chaotische Rollenspielrunden und ein augenzwinkerndes Zwischenspiel ist. Ich finde es schön, dass die EP hier zeigt, wie humorvoll Dungeon Synth sein kann, ohne ins Lächerliche abzudriften.

Zum Abschluss der EP folgt 'Geheimnis unter Lowangen', das wohl stimmungsvollste Stück dieser kleinen Sammlung. Hier wird es fast sakral – tiefe Synthesizerflächen, kaum greifbare Melodien und eine Struktur, die eher einer schleichenden Enthüllung gleicht als einem klassischen Songaufbau. Ich bilde mir ein, hier eine Hommage an frühe 90er-Jahre-Rollenspiele zu hören – irgendwo zwischen Ambermoon und Albion. Vielleicht ist es Einbildung, aber ich schwöre, ich habe das digitale Flackern eines Zauberspruch-Menüs gehört. Klanglich zeigt sich auch diesmal, dass Gilgareth längst ihren eigenen Stil gefunden haben: Dungeon Synth, ganz klar, aber mit einer feinen Prise Dark Ambient, einem Schuss Vintage-Retro-Vibes und einer tiefen Zuneigung zu erzählerischer Musik. Von Black Metal ist hier wenig zu hören – zumindest nicht im musikalischen Sinne. Die Atmosphäre jedoch, dieses raue, archaische Gefühl – das ist es, was beiden Genres gemeinsam ist. Und genau darin liegt die Stärke dieses Projekts.

Die 'Tyrfing EP' ist damit nicht einfach ein weiteres Release im Genre – sie ist eine weitere Station auf der Reise zweier Abenteurer, die mit Synthesizern statt Schwertern kämpfen und mit Reverbs statt Rüstungen glänzen. Kein opulentes Konzeptalbum, sondern ein kurzweiliges, klug komponiertes Klangdokument zwischen Nostalgie und Neugier. Ich persönlich hätte mir vielleicht noch einen fünften Track gewünscht – aber andererseits: Manche Questen sind genau dann am schönsten, wenn sie einen hungrig zurücklassen. Oder um es in DSA-Sprech zu sagen: Eine gelungene Heldentat, +1 auf Nostalgie, +2 auf Atmosphäre und ein temporärer Bonus auf gute Laune, wenn man sich auf das Kopfkino einlässt. Nur der Erzmagier von Gareth hätte es stilvoller inszenieren können.

Gilgareth - Tyrfing
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